Prozess gegen EnBW-Chef wegen weiterer Gratis-WM-Tickets
Stand: 08.06.2007
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Karlsruhe (dpa) - EnBW-Chef Utz Claassen muss sich in der Affäre um Gratis-WM-Tickets an hochrangige Politiker nun doch in allen Anklagepunkten vor Gericht verantworten. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ließ eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts zu. Dieses hatte zuvor nur einen von insgesamt sieben Anklagepunkten zur Verhandlung zugelassen. Claassen wird Vorteilsgewährung vorgeworfen. Er hatte Ende 2005 unter anderem an Minister und den baden-württembergischen Regierungschef Günther Oettinger (CDU) Gutscheine für kostenlose Fußball-WM-Eintrittskarten angeboten. Einen Prozesstermin vor dem Landgericht gibt es nach Gerichtsangaben noch nicht.
Für die Entscheidung des OLG seien "allein prozessuale Gründe maßgeblich" gewesen, betonte das Oberlandesgericht in einer Mitteilung vom Freitag. Die Richter äußerten sich nicht zu einem Tatverdacht gegen den 44-jährigen Energiemanager. Die EnBW hatte die Anklage gegen Claassen zuvor als "an den Haaren herbeigezogen" bezeichnet. Der Sprecher der Anklagebehörde, Rainer Bogs, sagte dagegen: "Unsere Beschwerde hat letztlich dazu geführt, dass nun insgesamt sieben Tatvorwürfe verhandelt werden." Zur Möglichkeit einer Verurteilung des EnBW-Chefs wollte sich Bogs nicht äußern.
Nach dem Gesetz können Teile einer Anklage nur abgelehnt werden, wenn sie vom Gericht als so genannte selbstständige Taten angesehen werden. Dies war nach Überzeugung des 1. OLG-Strafsenats bei Claassens Ticket-Affäre allerdings nicht der Fall. Denn der Unternehmer habe die Weihnachtskarten mit den beigelegten Gutscheinen im Dezember 2005 an einem einzigen Nachmittag unterschrieben, heißt es in der OLG-Mitteilung. "Die Schuldfrage der einen Handlung kann nicht ohne die Umstände der anderen Handlung bewertet werden."
Die Affäre um die Eintrittskarten hatte nach dem WM- "Sommermärchen" auch für Aufruhr in der Landesregierung gesorgt. Weil Oettinger und mehrere Kabinettsmitglieder nicht auf das Ticket- Angebot der EnBW reagiert haben sollen, war gegen sie auch nicht wegen des Verdachts der Vorteilsannahme ermittelt worden. Denn eine wesentliche Voraussetzung dafür wäre laut Gesetz eine so genannte Unrechtsvereinbarung. Für deren Annahme genügen aber nach Meinung der Justiz die Ermittlungen gegen Oettinger und die Minister nicht.
Staatssekretär Machnig hat bereits 2500 Euro Geldauflage gezahlt, um die Ermittlungen wegen Vorteilsannahme zu beenden. Die Tickets habe er aber nicht eingelöst, hatte der SPD-Politiker stets betont. Eine Geldauflage ohne Schuldeingeständnis hatte auch der baden- württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) akzeptiert, das Verfahrens war daraufhin gegen ihn eingestellt worden. Der FDP- Politiker hatte sich nach eigenen Angaben nur "den Geboten der Höflichkeit entsprechend" bei Claassen bedankt, jedoch nie vorgehabt, die WM-Gutscheine einzulösen.