Neue Indizien sprechen für den Mißbrauch von Marktmacht an der Strombörse: Geheime Daten zeigen, wie die großen Konzerne die Preise in die Höhe treiben
Die anonyme E-Mail, die streng geheime Details über die Handelsvolumina an der Leipziger Strombörse öffentlich gemacht hat, lässt Rückschlüsse über Preismanipulationen zu. Laut Informationen des Magazins "Der Spiegel" sei allein
RWE im Jahr 2006 für fast 28 Prozent des gesamten Nettostromeinkaufes verantwortlich. Der unbekannte Verfasser der E-Mail vermutet, dass der Konzern auf diese Weise den Preis in die Höhe getrieben habe, um dann im Telefonhandel viel größere Volumina zu diesem künstlich angehobenen Preis zu verkaufen. Laut einer Strafanzeige der
EEX wegen des Verrats von Betreibsgeheimnissen sind die verschickten Handelsdaten echt.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Strompreis an der EEX aufgrund der Marktmacht der Konzerne um bis zu 30 Prozent überteuert ist. Dies ging zuletzt aus einem Gutachten der Technischen Universität Dresden im Auftrag des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) hervor, für das der
Strompreis an der EEX zwischen Ende 2005 und Juni 2006 untersucht worden war.
Dem Gutachten zufolge hielten Stromkonzerne Kraftwerksleistungen bewusst zurück oder speisten sie zu überhöhten Preisen ein. Es gebe erhebliche Anzeichen für unzureichenden Wettbewerb im Bereich Erzeugung und Großhandel auf dem deutschen Elektrizitätsmarkt.
Der Bund der Energieverbraucher hat die Preispolitik der großen deutschen Stromkonzerne scharf kritisiert. Verbandschef Aribert Peters sagte der Bild -Zeitung, die Preispolitik der Multis sei Freibeuterei zu Lasten der Verbraucher. Nach Berechnungen der Verbraucherorganisation zahlen Privathaushalte und Industrieunternehmen auf Grund überteuerter Handelspreise an der
Börse Leipzig für jede Kilowattstunde Strom drei Cent zu viel. Das ist eine Kostenbelastung von zusätzlich 13,5 Milliarden Euro im Jahr.
Auch das Bundeskartellamt hat wiederholt festgestellt, dass die vier größten Anbieter E.ON, RWE, Vattenfall Europe und EnBW den Markt "dominieren". Laut Angaben des Kartellamtes verfügen diese vier über 90 Prozent der Erzeugungsstrukturen.