Heerlen - Mehr als drei Jahrzehnte lagen die Kohlegruben brach. Jetzt aber werden die Schächte im niederländischen Grenzgebiet wieder gebraucht. Eine ganze Siedlung in der Nähe von Aachen wird von dem Revier beheizt - allerdings nicht mit schmutziger Kohle, sondern mit heißem Grubenwasser. Die ehemalige Bergbaustadt Heerlen in den Niederlanden, ganz dicht an der Grenze zu Deutschland gelegen, nutzt die Hunderte Meter tiefen Schächte zur Gewinnung von Erdwärme. An dem europaweiten Pilotprojekt sind auch Partner in Aachen beteiligt.
Das "Minenwasser-Projekt" im Südosten der niederländischen Provinz Limburg ging im Oktober in Betrieb: 350 Wohnungen, Geschäftsräume und Büros in der Neubausiedlung von Heerlen werden seitdem beheizt - eine weltweite Premiere, sagt Christion Cornips, Chef der Wohnungsbaugesellschaft Weller, die das ehrgeizige Projekt anstieß. Zum ersten Mal wird die Infrastruktur des Bergbaus genutzt, um vergleichsweise günstig an Erdwärme zu kommen. "Wir können die globale Energiefrage nicht länger mit fossilen Energieträgern beantworten", sagt Cornips: "Gegen die Energieknappheit muss auf lokaler Ebene angegangen werden, und das Grubenwasser ist ein Beispiel dafür."
Für das Erdwärme-Projekt wurden fünf neue Brunnen mit einer Tiefe von bis zu 700 Metern gebohrt. 80 Kubikmeter Wasser werden von dort in jeder Minute nach oben gepumpt. "Ganz unten beträgt die Wassertemperatur 32 Grad, an der Oberfläche noch 28 Grad", erklärt Jan-Jaap van Bergermeer, der das Projekt betreut. An der Oberfläche zeugen ein modernes Kulturzentrum und eine Bibliothek davon, wie wenig die Siedlung noch mit den kleinen Arbeiterhäusern der alten Bergbaustadt gemein hat.
In der Tiefgarage unter dem Glasgebäude öffnet van Bergermeer eine Tür, die zu einem Netz von Leitungen führt. Sie leiten das Wasser in Maschinen, die Wärme daraus gewinnen. "Denn das Wasser aus der Grube wird nicht direkt in die Heizungen gepumpt", sagt van Bergermeer. Sobald die Wärme gewonnen ist, fließt das Wasser wieder zurück in die Erde, wo es sich erneut erwärmt. An besonders kalten Wintertagen werden die Bewohner vermutlich auf die Unterstützung durch konventionelle Heizmethoden angewiesen sein. Im Sommer dagegen soll das kühlere Wasser aus weniger tiefen Erdschichten auch zur umweltfreundlichen Kühlung dienen.
Die Kosten für die Verbraucher sind den Betreibern zufolge vergleichbar mit jenen für Kohle oder
Gas, jedoch weniger von den Schwankungen der Energiepreise abhängig. Der höchste Anteil entfällt demnach auf den monatlichen Grundpreis, dagegen sind die Verbrauchskosten relativ gering. "Wir mussten in der Entwicklung bei Null anfangen", sagt van Bergermeer. Für die Erdwärmenutzung waren neue Heizungen erforderlich, aber auch konventionelle Systeme, auf die sich die Bewohner im Notfall verlassen können.
An der Entwicklung des EU-geförderten Projekts waren auch Partner in den europäischen Nachbarländern beteiligt, darunter die Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Kreis Aachen. So soll das Heerlener Grubenwasser-Projekt zum Vorbild für andere Bergbauregionen werden. "Das ist sehr vielversprechend", schwärmt van Bergermeer: "Stellen Sie sich nur die Hitze in den Minen Lothringens im Nordosten Frankreichs vor" - diese seien mehr als zweitausend Meter tief.