Pannenserie in belgischen Atomkraftwerken
Stand: 28.12.2015
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Brüssel - Das umstrittene belgische Atomkraftwerk Tihange ist nach einem Feuer in der vergangenen Woche bereits wieder angeschaltet worden. Reaktor Nummer 1 habe schon wieder seine volle Leistung erreicht, teilte ein Sprecher der Betreiber-Gesellschaft Electrabel am Samstagabend mit. Der nahe der deutschen Grenze gelegene Reaktor war nach einem Brand in einem nicht-nuklearen Bereich automatisch heruntergefahren worden, kurze Zeit später musste ein weiterer belgischer Atomreaktor wegen einer Panne vom Netz genommen werden.
Der 1975 in Betrieb genommene Tihange 1 ist der älteste der drei Reaktoren des Atomkraftwerks und sollte eigentlich in diesem Jahr vom Netz gehen. 2012 wurde jedoch entschieden, die Laufzeit bis 2025 zu verlängern. Tihange liegt nur 70 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt und steht seit langer Zeit in der Kritik.
Weitere Pannen in Doel 3
In der Nacht zum Freitag musste überdies ein weiterer umstrittener Atomreaktor in Belgien wegen einer Panne vom Netz genommen werden. Nach Angaben von Electrabel wurde im Reaktor Doel 3 bei Antwerpen ein Wasserleck an einem Generator im nicht-nuklearen Bereich der Anlage entdeckt. Um den Schaden reparieren zu können, sei der Reaktor abgeschaltet worden.
Der Reaktorblock 3 war erst am vergangenen Montag trotz Protesten aus Deutschland nach 21 Monaten Pause wieder ans Netz gegangen. Am Donnerstagabend hatte Electrabel den Reaktor Doel 2 wieder hochgefahren, Doel 1 sollte am Sonntagabend folgen. Belgien hat an den Standorten Doel und Tihange insgesamt sieben Atomreaktoren. Doel ist rund 150 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.
Kritik von Bundesregierung
Die Bundesregierung kritisierte am Donnerstag den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke Doel und Tihange. "Wir sind besorgt, ob die erforderliche Reaktorsicherheit dieser Anlagen in vollem Umfang gewährleistet ist", erklärte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auf ihrer Facebook-Seite. Die Bundesregierung werde speziell die Wiederinbetriebnahme der Reaktorblöcke Tihange 2 und Doel 3 "aktiv und kritisch hinterfragen". Anfang Januar sei ein Gespräch mit der belgischen Atomaufsicht geplant. "Wir werden klarmachen, dass die Bevölkerung in den deutschen Grenzregionen nicht von der Sicherheit der belgischen Akw überzeugt ist und dass dies die belgischen Behörden sehr ernst nehmen müssen."
Vorwurf der Heuchelei
Die deutschen Grünen warfen Hendricks "Heuchelei" vor. In Wahrheit tue die Umweltministerin "nichts, um die belgische Regierung von ihrer zynischen Atompolitik abzubringen", erklärte ihr Fraktionsvize im Bundestag, Oliver Krischer. Schon seit Jahren reihe sich in Belgien "Panne an Panne". Es sei nur eine Frage der Zeit, "bis aus einer dieser Pannen eine Katastrophe wird".
Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer forderte im Streit über die Sicherheit von Tihange eine internationale Untersuchungskommission. "Tihange ist eine europäische Gefahr", sagte er der "Welt am Sonntag". "Das Atomkraftwerk sollte nun auch von einem europäischen Gremium untersucht werden und bis dahin stillliegen."