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Offener Koalitionsstreit über Atomausstieg

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Berlin (dpa) - Vattenfall kann keine Strommengen des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf den 30 Jahre alten Atommeiler Brunsbüttel übertragen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) lehnte einen entsprechenden Antrag des Stromkonzerns endgültig ab und begründete dies mit dem vor sieben Jahren mit der Branche vereinbarten Atomgesetz. Danach "dürfen Strommengen von Mülheim- Kärlich nicht auf das Atomkraftwerk Brunsbüttel übertragen werden", sagte Gabriel am Mittwoch. Unterdessen kam es im Umweltausschuss des Bundestages zwischen den Koalitionspartnern CDU/CSU und SPD zur offenen Auseinandersetzung über den Atomausstieg.

Die Union erklärte, sie halte die jetzt laufende Sondersitzung zur Unterrichtung des Umweltausschusses über die Pannen in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel "für übertrieben und nicht gerechtfertigt". Bei dieser Sitzung gehe es offensichtlich darum, "den Feldzug gegen die Kernenergie fortzusetzen", sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Katherina Reiche, vor Beginn der Sitzung. "Das machen wir nicht mit."

Gabriel, der dem Ausschuss berichtete, hatte zuvor die Absicht bekräftigt, ältere und pannengefährdete Reaktoren früher vom Netz zu nehmen und dafür neuere Meiler länger laufen zu lassen. Dieser Austausch von Strommengen zwischen Kraftwerken habe "keine wirtschaftlichen Nachteile" für die Betreiber, sagte Gabriel. Damit würde der Atomausstieg in der letzten Stufe nicht 2022 stattfinden, sondern entsprechend einige Jahre später. Der Minister forderte die Atom-Betreiber nachdrücklich auf, in ihren Anlagen innerhalb eines Jahres ein modernes Sicherheitsmanagement einzuführen.

Die Grünen-Umweltpolitikerin Bärbel Höhn erklärte, ihre Fraktion unterstütze Gabriel in dieser Frage. Wichtig sei jetzt, die Aufsicht über die Kernkraftwerke insgesamt zu verschärfen und zu klären, warum die Kieler Atomaufsicht die Zügel jahrelang habe schleifen lassen. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte, die Meiler in Brunsbüttel und Biblis müssten umgehend vom Netz. "Politisch bleibt es ein Skandal, dass ein Atombetreiber die ältesten und am wenigsten sicheren Reaktoren länger betreiben will als vorgesehen und dabei aus der Union auch noch ermuntert wird." Die Wirtschaft sollte realisieren, dass es keine Atomrenaissance in Deutschland geben werde.

Vattenfall wollte die Laufzeit von Brunsbüttel um rund zweieinhalb Jahre bis Ende 2011 verlängern. Bereits im Mai wies Gabriel einen vergleichbaren Antrag von RWE für Biblis A zurück. Noch nicht entschieden ist der Vorstoß von EnBW für den Meiler Neckarwestheim I. Vattenfall verfolgt aber für Brunsbüttel auch einen Hilfsantrag. Demnach soll eine Strommenge vom jüngeren Atomkraftwerk Krümmel übertragen werden. Brunsbüttel und Krümmel sind nach Pannen derzeit abgeschaltet. Nach Darstellung der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW berichteten zwei ehemalige Beschäftigte über gravierende Missstände im AKW Biblis bei Planung und Sicherheit.

Die Klärung der Pannen in den Krümmel und Brunsbüttel kann nach Worten der für die Reaktorsicherheit in Schleswig-Holstein zuständigen Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) durchaus noch einige Monate dauern. "Es handelt sich ja um hochkomplexe technische Angelegenheiten und darüber hinaus um menschliche Fehler", sagte Trauernicht im Deutschlandfunk. Vieles müsse noch durch die Experten geklärt werden. Der Betreiber Vattenfall Europe verhalte sich mittlerweile weitgehend kooperativ. "Inzwischen gibt es ein Einvernehmen, dass beide Kernkraftwerke erst wieder ans Netz gehen können, wenn alle Sicherheitsfragen tatsächlich geklärt sind."