Ökostrom-Ausbau: Politiker fordern geringeres Tempo
Stand: 31.08.2012
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Berlin - Zahlreiche weitere Stimmen reihen sich in die Forderung nach einer Ausbau-Drosselung der erneuerbaren Energien ein. Inzwischen ist gar von einem Moratorium für Wind- und Solarstrom die Rede. Derweil steigt die Kritik an den Rabatten bei der EEG-Umlage.
Immer mehr Unternehmen machen von Ausnahmen bei der Förderung erneuerbarer Energien Gebrauch und steigern dadurch die Strompreise der übrigen Verbraucher. Bis Ende Juni stellten bereits 2023 Unternehmen einen Antrag für Rabatte bei der Ökostrom-Umlage. Ein Jahr zuvor waren es nur 813 Anträge gewesen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zunächst hatte die "Süddeutsche Zeitung" darüber berichtet.
Haushalte finanzieren Industrie-Rabatte
Ein Durchschnittshaushalt zahlt derzeit 125 Euro Ökostrom-Umlage pro Jahr über den Strompreis, rund 30 Euro machen dabei die Ausnahmen für bestimmte Branchen aus, die viel Energie verbrauchen. Hinzu kommen noch Ausnahmen bei den Netznutzungskosten - sie sorgen zusätzlich für höhere Netzentgelte, die ebenfalls Teil des Strompreises sind.
Das System der Rabatte war bereits zu rot-grünen Zeiten eingeführt worden. Seit diesem Jahr können nach einer Reform der Bundesregierung aber weit mehr Unternehmen von geringeren Förderzahlungen profitieren als bisher. Union und FDP wollen so bestimmte Branchen vor zu hohen Belastungen durch die Energiewende schützen.
FDP will Ausbau-Stopp
Die FDP-Bundestagsfraktion erwägt laut "Spiegel Online" die Forderung nach einem Ausbau-Stopp für Windräder und Solaranlagen. Da "ein Moratorium nur zusätzliche Anlagen betreffen könnte", sollten die Betreiber solcher Anlagen außerdem mit einer Sonderabgabe belegt werden und so an den Kosten des Netzausbaus beteiligt werden, zitierte das Internetportal ein im Auftrag von Fraktionschef Rainer Brüderle erarbeitetes Papier. Darin heißt es weiter: "Der weitere Zubau von Erneuerbare Energien-Anlagen würde vermutlich sehr drastisch zurückgehen."
Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger sprach sich für einen langsamere Energiewende aus. "Wir brauchen eine Geschwindigkeitsbegrenzung beim weiteren Ausbau von Wind- und Solaranlagen", sagte Oettinger beim Energieforum Schleswig-Holstein in Büdelsdorf bei Rendsburg. Oettinger begründete dies vor allem mit der notwendigen Versorgungssicherheit für Privathaushalte und Industrie angesichts der Wetterabhängigkeit der Stromerzeugung aus Wind und Sonne. Der Ausstieg aus der Atomenergie stehe in Deutschland außer Frage, aber ein Energiemix mit Gas und Kohle sei im kommenden Jahrzehnt unabdingbar.
Überkapazitäten beim Ökostrom?
Oettinger reagierte damit auch auf die Diskussion um mögliche Überkapazitäten. Wenn die Bundesländer ihre Pläne verwirklichen, läge der Ökostromanteil 2020 bundesweit bei rund 50 Prozent - die schwarz-gelbe Bundesregierung strebt bis dahin nur 35 Prozent an.
Die Begünstigungen für Unternehmen bei der Ökoenergie-Umlage belaufen sich in diesem Jahr auf 2,5 Milliarden Euro, 2013 dürften sie nun deutlich steigen. Beim für die bürokratische Abwicklung der Ausnahmeregelungen zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wurden extra 50 neue Planstellen geschaffen, 20 davon "mit Überhangpersonal aus dem Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums". Kostenpunkt für die neuen Stellen: 3,8 Millionen Euro.
Auswahl der Unternehmen ist fragwürdig
So kommen nun auch Unternehmen mit einer jährlichen Stromabnahme zwischen einer und 10 Gigawattstunden in den Genuss von Nachlässen, ebenso, wenn die Stromkosten einen Anteil von mindestens 14 Prozent an der Bruttowertschöpfung haben. Zugleich profitieren viele Firmen derzeit von dank mehr Ökostrom gesunkenen Einkaufspreisen für Strom.
Laut der Liste begünstigter Unternehmen, die der dpa vorliegt, kommen auch viele Firmen in den Genuss von Rabatten bei der Ökoenergie-Förderung, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen. So profitieren zum Beispiel Straßenbahnen in München, Nürnberg, Augsburg, Braunschweig, Kassel oder Potsdam, aber auch Molkereien, Tierfutterhersteller, Brauereien und sogar Solarhersteller, die indirekt von den Milliardeneinnahmen durch die Förderung profitieren.