Ökonom: Schock der Finanzkrise für das Klima nutzen
Stand: 04.11.2008
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Berlin - Der Schock der Finanzkrise kann nach Einschätzung des Klimaökonoms Prof. Ottmar Edenhofer für die Klimapolitik ein Antrieb sein. «Finanzkrise und Klimawandel haben eine gemeinsame Wurzel, die fehlende Nachhaltigkeit. Das müssen wir nun korrigieren und nachhaltige Investitionsstrategien entwickeln», sagte Edenhofer der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er tritt an diesem Dienstag an der Technischen Universität Berlin den weltweit ersten Lehrstuhl für Klimaökonomie an. «Auch in der Klimafrage dürfen wir nicht länger von der Substanz leben und unser Naturkapital verbrauchen», betonte Edenhofer. Stattdessen seien Investitionen in die Energieeffizienz, in erneuerbare Energien und in den großen Bereich der Kohlenstoff- Abscheidung dringend notwendig.
Das erste und wichtigste Instrument dazu sei ein weltweiter Emissionshandel. «Wenn wir das nicht hinbekommen, werden alle Maßnahmen des Klimaschutzes, von der Gebäudesanierung bis hin zu den erneuerbaren Energien, nichts nützen», warnte Edenhofer, der auch Chefökonom und stellvertretender Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sowie im Vorstand des Weltklimarates ist. «Europa und die USA müssen vorangehen und einen transatlantischen Kohlenstoffmarkt etablieren», forderte der Klimaexperte. Er geht davon aus, dass die USA nach den Wahlen wieder eine neue, führende Rolle im Klimaschutz anstreben. «Die Staaten müssen sich weltweit darauf verständigen, dass die Emissionen bis 2050 halbiert werden.»
Erst auf Basis eines solchen Emissionshandels können nach Auffassung Edenhofers weitere Maßnahmen greifen. «Vor allem die Entwicklung von Technologien für die Kohlenstoff-Abscheidung und - Einlagerung in tiefen Erdschichten sollte staatlich gefördert werden. Einfach deshalb, weil Indien und China solche enormen Kohlevorräte haben, dass sie später kaum bei einem globalen Vorhaben mitwirken werden, wenn sie diese Vorräte nicht nutzen können.»
Zweite große Baustelle: Der Umbau der Stromnetze. «Die Stromnetze in Europa sind völlig veraltet. Diese Investitionslücke kann genutzt werden, um genügend große Kapazitäten zu schaffen und erneuerbare Energien zu integrieren», sagt Edenhofer. «Dann können wir sie dort einspeisen, wo sie am einträglichsten sind: Solarenergie in Andalusien, Biomasse in Mittel- und Osteuropa, Wind an der Nordsee.»
Auch der dritte Faktor, die Energieeffizienz, von der Gebäudedämmung bis zum Sprit-Spar-Auto, funktioniert nach Einschätzung des Experten vor allem dann, wenn der Emissionshandel sowohl Wärme-, Transport- als auch den Strommarkt umfasst. Hier sei es günstiger, Demo-Projekte wie etwa die Entwicklung des Elektroautos zu fördern, als generell bestimmte Energieformen zu subventionieren.
Die größte Herausforderung im Weltklimarat sieht Edenhofer darin, künftig neben Wissenschaftlern und Politikern auch mehr Investoren einzubeziehen. Einen ersten Erfolg kann er verbuchen: «Die acht weltgrößten Pensionsfonds haben ihre Bereitschaft erklärt, Unternehmen künftig auch danach zu bewerten, ob sich Investitionen lohnen, wenn der CO2-Preis steigt oder der Klimawandel voranschreitet.»