La Hague/Gorleben (dpa) - Der nächste Castor-Transport mit hoch radioaktivem Atommüll ist auf dem Weg von Frankreich nach Deutschland. Der Zug mit zwölf Behältern hat nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace am Samstag um 17.26 Uhr die Verladestation Valognes der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague verlassen. Er wird Anfang der Woche im Atomzwischenlager im niedersächsischen Gorleben erwartet. In der Region demonstrierten am Samstag mehrere tausend Menschen gegen den Transport.
Unterdessen hat eine politische Debatte über die künftige Endlagerung des deutschen
Atommülls eingesetzt. Der designierte Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) kündigte an, die große Koalition aus SPD und Union werde die Suche nach dem
Endlager beschleunigen, sei dabei aber nicht vorab auf Gorleben festgelegt. "Die Suche wird schneller und weniger in die Tiefe gehen", sagte er der "Berliner Zeitung" (Samstag).
Die Grünen befürchten jedoch, dass alles auf den Endstandort Gorleben hinausläuft und auch eine Verlängerung der atomaren Stromproduktion nicht auszuschließen ist. Fraktionsvize Reinhard Loske verwies dazu auf den Koalitionsvertrag. Dort heiße es, man wolle über das Endlager in dieser Wahlperiode entscheiden, ohne dies näher zu präzisieren. "Jeder muss wissen: Je länger das Ganze hinausgezögert wird, desto sicherer läuft das faktisch auf Gorleben hinaus", sagte der Grünen-Politiker im RBB-Inforadio.
Diese Befürchtung teilten auch die Demonstranten, die am Samstag im niedersächsischen Hitzacker gegen den Transport protestierten. Sie forderten eine Ende der Atommülltransporte und das weltweite Abschalten aller Atomanlagen. Der Sprecher der Bürgerinitiative
Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Francis Althoff, kritisierte, dass im Koalitionsvertrag nichts Konkretes zu Gorleben stehe. Es sei zu befürchten, dass der dortige Salzstock doch zum Atomendlager gemacht werden solle. "Wir müssen befürchten, dass Gorleben Atomklo wird." Dies werde mit jedem neuen Transport wahrscheinlicher.
An den Demonstration nahmen nach Polizeiangaben 3100 Menschen teil. Die Veranstalter sprachen von 4000 Demonstranten. Der Transport wird voraussichtlich an diesem Sonntag die französisch-deutsche Grenze erreichen und soll dann quer durch Deutschland nach Niedersachsen rollen. Allein hier sind zu seiner Sicherung rund 10 000 Polizisten eingesetzt. "Mit diesem neuerlichen gigantischen Polizeiaufmarsch hat die Region um Gorleben nun die zehn größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Bundesrepublik erlebt", sagte Althoff.
Anders als in Deutschland waren in Frankreich keine Proteste geplant. Vor einem Jahr war ein französischer Atomkraftgegner bei einer Protestaktion gegen den Castortransport in
Lothringen ums Leben gekommen. Der 23-Jährige hatte sich nach dem Vorbild deutscher Umweltschützer an die Gleise gekettet. Der Zug hatte ihn überrollt.
Die
Castor-Behälter enthalten die nicht wieder verwertbaren, hoch radioaktiven Reste abgebrannter Brennelemente aus deutschen Atomkraftwerken. Sie sind in Glaskokillen eingeschmolzen. Im Zwischenlager in Gorleben stehen inzwischen 56 Castor-Behälter.