Netzentgelt-Befreiung der Industrie wird für Verbraucher teuer
Stand: 13.08.2012
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Bonn - Die Sonderregelung für energieintensive Unternehmen, mit der eine Befreiung von den Netzentgelten möglich ist, kommt die Verbraucher voraussichtlich viel teurer zu stehen als erwartet. Zum Zeitpunkt der Kostenschätzung lagen der Bundesnetzagentur 100 Anträge vor, mittlerweile haben 277 Unternehmen eine Befreiung von den Netzentgelten beantragt.
Die Zahl der Firmen, die eine seit 2011 geltende Sonderregelung in Anspruch nehmen wollen, sei viel höher ausgefallen als zunächst geschätzt, bestätigte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur am Montag einen Bericht der "Frankfurter Rundschau".
Im Zuge der Gesetze zur Energiewende hatte die schwarz-gelbe Koalition zunächst fast unbemerkt beschlossen, dass Unternehmen mit einem besonders hohen Stromverbrauch sich komplett von den Netzentgelten befreien lassen können. Weitere Unternehmen können die Entgelte auf ein Minimum drücken. Bedingung ist, dass der Stromverbrauch dabei möglichst gleichmäßig ist.
Die Verbraucher müssen die Finanzierungslücke schließen
Die Netzgebühren sollen den Betrieb und Ausbau der Stromnetze finanzieren. Um die Finanzierungslücke durch die Sonderregel zu schließen, müssen kleinere Energieverbraucher einen Aufschlag auf ihren Strompreis zahlen. Diese Umlage legte die Netzagentur im Dezember auf 0,151 Cent je Kilowattstunde fest - auf Grundlage der bis dahin eingegangenen etwa 100 Anträge. Dadurch sollten rund 300 Millionen Euro zusammenkommen.
Von den bislang vorliegenden 277 Anträgen wurden 178 genehmigt, wie die Sprecherin der Netzagentur sagte. Nur ein Antrag wurde abgelehnt. Bleibt die Genehmigungsquote derart hoch, dürften insgesamt also weit über 250 Firmen von den Netzentgelten ganz oder teilweise befreit werden. Das wären entsprechend rund zweieinhalbmal so viel wie bei der Festlegung im Dezember.
Entsprechend dürfte die Umlage bei der nächsten Festsetzung im Oktober deutlich steigen. Dabei müssen auch die höheren Kosten des vergangenen Jahres nachträglich hereingeholt werden. Denkbar wäre also eine Steigerung von den 0,151 auf 0,45 Cent je Kilowattstunde oder sogar mehr.
Mehrkosten von 16 Euro im Jahr
Ein typischer Vier-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden würde die energieintensive Industrie dann mit jährlich rund 16 Euro subventionieren, das sind über zehn Euro mehr als bislang. Insgesamt würden private Haushalte und kleine Unternehmen den Großverbrauchern dann mit bis zu einer Milliarde Euro unter die Arme greifen, wie die grüne Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn schätzt.
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