Garching (dpa/lby) - Nach jahrelangem Streit um den atomaren
Forschungsreaktor FRM-II in Garching bei München ist es soweit: Der
knapp 435 Millionen Euro teure Reaktor wird am 9. Juni mit einem
Festakt offiziell eröffnet.
Die Vorbereitungen für den Start der
wissenschaftlichen Arbeit laufen unterdessen auf Hochtouren. "Der
Reaktor läuft sich warm", sagt Bayerns Wissenschaftsminister Thomas
Goppel (CSU). Im Herbst soll die volle Leistung von 20 Megawatt
erreicht sein und der Normalbetrieb beginnen.
Die bayerische Staatsregierung setzt grosse Hoffnungen auf das
Projekt. "Mit dem FRM-II spielen wir in der Champions League und
werden damit massgeblich an der internationalen Spitzenforschung
teilhaben", sagt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Der
Reaktor sei ein Meilenstein für den Wissenschaftsstandort Deutschland
und ein "Leuchtturm der Innovation". Der FRM-II eröffne völlig neue
Möglichkeiten in Materialforschung, Medizin, Biologie und anderen
wissenschaftlichen Bereichen. "Der Forschungsreaktor wird Magnet für
die besten Köpfe sein", erklärt Präsident Wolfgang Herrmann von der
Technischen Universität München (TUM), zu der der Reaktor gehört.
Der FRM-II ist international umstritten, weil atomwaffentaugliches
hochangereichertes
Uran als Brennstoff verwendet wird. Vor allem
Kritiker in den USA sehen dadurch die internationalen Bemühungen
torpediert, die Verbreitung des Bombenstoffes weltweit einzudämmen.
Der Reaktor soll der Forschung als Hochleistungsquelle für Neutronen
zur Verfügung stehen und ist bereits seit 2001 fertig gestellt. Doch
erst im Frühjahr 2003 hatte das Bundesumweltministerium nach langem
Tauziehen grünes Licht für die Inbetriebnahme gegeben. Damit konnte
das bayerische Umweltministerium dann die
Betriebserlaubnis erteilen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sei dem FRM-II aufgeschlossen
gegenüber gestanden, aber Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne)
habe hinter den Kulissen immer gebremst, heisst es bei der bayerischen
Staatsregierung zu dem langwierigen Genehmigungsverfahren. In
Trittins Ministerium dagegen wurde wiederholt betont, aus Bayern
seien immer wieder unvollständige Unterlagen zur Prüfung eingereicht
worden - deshalb habe das Verfahren so lange gedauert.
Nach den Auflagen des Bundesumweltministeriums muss der FRM-II bis
2010 auf weniger angereichertes, nicht atomwaffentaugliches Uran
umgerüstet werden. Ob das technisch möglich sei, stehe aber nicht
fest, betont Herrmann. "Forschung können Sie planen, die Ergebnisse
nicht." Bei einem Regierungswechsel im Bund steht diese Auflage
möglicherweise ohnehin wieder zur Disposition.
Die Kritiker bezweifeln die von offizieller Seite immer wieder
betonte hohe Sicherheit des Reaktors und befürchten bei Störfällen
eine Freisetzung von Radioaktivität. Auch die Sicherheit gegen
Terroranschläge sei nicht ausreichend geprüft worden, bemängelt
Vorsitzender Hubert Weiger vom Bund
Naturschutz in Bayern mit Blick
auf die Anschläge in den USA vom 11. September 2001. "Die Prüfungen
zur angeblichen Sicherheit gegen Flugzeugabstürze wurden schön
gerechnet", sagt Vorsitzende Gina Gillig von der Initiative "Bürger
gegen Atomreaktor Garching".
Der neue Reaktor ist Nachfolger des FRM-I. Dieses so genannte
"Atom-Ei" war im Juli 2000 nach mehr als 40 Betriebsjahren
stillgelegt worden. Prof. Winfried Petry, wissenschaftlicher Direktor
des neuen Reaktors, ist optimistisch: "Der FRM-II wird der Keim für
weitere 40 Jahre Fortschritt sein." Der Garchinger Forschungscampus
allein mit vier Max-Planck-Instituten, dem bayerischen Institut für
Tieftemperaturforschung sowie Forschungseinrichtungen der beiden
Münchner Universitäten biete dafür ein ideales interdisziplinäres
Umfeld, sagt Goppel. "Der FRM-II wird als bayerische Initiative für
Deutschland in die Geschichte eingehen."