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Merkel will sich von der Atomlobby nicht erpressen lassen

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: ddp

Berlin - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weist die Versuche der Atomlobby, auf sie politischen Druck auszuüben, deutlich zurück. Ihre Reaktion auf Drohungen fiele eher so aus, dass sie dann das Gegenteil des Gewünschten machen würde, stellte sie am Dienstag klar. Offenbar ist die von der Stromindustrie geforderte Vertragslösung anstelle einer Brennelementesteuer tatsächlich vom Tisch. Vielmehr gibt es in der Koalition nun Streit um einen Zusatzbeitrag zur Förderung der erneuerbaren Energien.

"Bei mir ist das immer so: Wenn irgendetwas in Richtung einer Drohung oder eines Gepresstwerdens führt, dann führt das bei mir meistens zu einer totalen Gegenbewegung", sagte Merkel.

In einem energiepolitischen Appell hatten sich vergangene Woche Dutzende Manager großer Unternehmen und Prominente gegen die geplante Brennelementesteuer ausgesprochen und für die Atomkraft geworben. Auch hatten die Energiekonzerne mit einem sofortigen Abschalten der Atomkraftwerke gedroht.

Regierung lässt Energiekonzerne abblitzen

Die Bundesregierung lässt die Atomwirtschaft aber nach Informationen der "Financial Times Deutschland" (Dienstagausgabe) abblitzen. Die Verlängerung der Kernkraftwerks-Laufzeiten, die finanziellen Belastungen und die künftigen Sicherheitsstandards für die Meiler könnten nicht - wie von der Branche verlangt - per Vertrag geregelt werden. "Eine Bindung künftiger Regierungen über Jahrzehnte durch einen Vertrag wäre juristisch und staatspolitisch nicht zulässig", zitiert die Zeitung aus Koalitionskreisen. Nötig sei eine gesetzliche Regelung.

Für die AKW-Betreiber wäre dies ein Rückschlag. Sie hatten gehofft, über einen "Energiewirtschaftsvertrag" mit der Regierung langfristig Rechts- und Planungssicherheit zu erhalten.

Das CDU-Präsidium unter Merkels Leitung hatte sich bereits am Montag auf ein "klares Ja" zur Brennelementesteuer verständigt und zudem einen Zusatzbeitrag der Atomwirtschaft zum Ausbau der erneuerbaren Energien angemahnt.

Uneinigkeit über zusätzliche Abgabe

Im Gespräch ist in der Koalition laut der "Rheinischen Post" (Dienstagausgabe) ein zusätzlicher Beitrag der Stromkonzerne RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall zwischen einer und zwei Milliarden Euro jährlich. Dieser Beitrag könne in Form von Investitionszusagen in den Ausbau der erneuerbaren Energien im eigenen Unternehmen vertraglich festgelegt werden.

Der Koalitionspartner FDP ist sich darüber aber noch uneins. Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kauch, unterstützte das Vorhaben, während der Finanzexperte der Fraktion, Frank Schäffler, es ablehnte. "Energiepolitik darf nicht zur Basarveranstaltung reduziert werden: Wer bietet mehr", kritisierte Schäffler. Mit Ordnungspolitik habe dies nichts zu tun. "Der Staat muss den Rahmen setzen, aber nicht in Geschäftsmodelle eingreifen."

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hält ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene wegen des Streits um die Verlängerung der Atomlaufzeiten für immer unwahrscheinlicher. "Die Entfernung zur CDU wird täglich größer", sagte sie. Die Energie-Expertin der Linkspartei, Dorothée Menzner, monierte: "Der energiepolitische Sachverstand der Koalition tendiert gegen null."

Ein Bündnis großer Umwelt- und Verbraucherverbände forderte derweil mehr Energieeffizienz statt verlängerter Laufzeiten. So müsse die im Sparpaket der Bundesregierung angekündigte Milliardenkürzung bei der energetischen Gebäudesanierung zurückgenommen werden. Nur so könne die Regierung ihre Klimaschutzziele erreichen und wichtige Impulse für eine zukunftsfähige Energieversorgung setzen.

EnBW-Chef schließt Abschaltung von Kernkraftwerken nicht aus

Der Ton zwischen Bundesregierung und Kernkraftwerksbetreibern wird derweil unversöhnlicher. EnBW-Chef Hans-Peter Villis schließt das Abschalten einzelner Anlagen nicht mehr aus. "Wir haben der Politik nie damit gedroht, Kernkraftwerke stillzulegen. Aber es muss auch für uns der Grundsatz gelten dürfen, dass wir Anlagen nur betreiben, wenn das betriebswirtschaftlich dauerhaft sinnvoll ist. Wenn das in Deutschland nicht mehr möglich ist, bleibt uns keine andere Wahl, als eine Stilllegung von Anlagen zu prüfen", sagte Villis dem "Handelsblatt" (Mittwochausgabe).

Villis reagierte damit auf die Signale der Bundesregierung, neben einer Brennelementesteuer in Höhe von 2,3 Milliarden Euro jährlich von den vier Kernkraftwerksbetreibern zusätzlich Beiträge zum Ausbau der erneuerbaren Energien zu verlangen. Über Umfang und Ausgestaltung dieser Beiträge herrscht im Moment noch Unklarheit "Die Gemengelage ist für uns unübersichtlich. Die zum Teil widersprüchlichen Aussagen in der aktuellen energiepolitischen Diskussion sind ein Problem. Etwas mehr Verlässlichkeit würde helfen", sagte der EnBW-Chef.