Merkel macht Klimafrage zur Chefsache
Stand: 26.11.2009
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Berlin - Zuerst die Finanz- und Wirtschaftskrise - und nun das Thema Klimawandel. Kein Tag ohne Konferenzen, unendliche Podiumsdiskussionen oder Pressekonferenzen der Umweltverbände, Wissenschaftler und Industrie. Dabei schreit das Problem der schleichenden Erwärmung der Erde mit drohenden Klimakatastrophen schon seit Jahren nach globalen Lösungen. Die jetzige Aufregung lässt sich nur mit der in gut einer Woche beginnenden Weltklimakonferenz in Kopenhagen erklären. Der Countdown läuft auf vollen Touren.
Die meist gestellte Frage: Kann es trotz der - bisherigen - Weigerung der USA und Chinas, der Weltgemeinschaft verbindliche Ziele für die Verringerung der schädlichen Treibhausgase zu nennen, diesmal ein Kyoto-Folgeabkommen geben? Oder wird wieder einmal wie zwei Jahre zuvor auf der indonesischen Insel Bali ein neues Abkommen bis 2020 und mit Zielmarken für 2050 scheitern? Damals biss sich auch der frühere deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in hektischen Verhandlungen bis zum Schluss die Zähne an den Amerikanern aus.
In Deutschland wird noch engagierter diskutiert, seit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mitteilte, dass sie wie etwa 60 weitere Staatslenker in der Schlussphase bis zum 18. Dezember in die Verhandlungen eingreifen will. Das heikle Thema ist - wie schon vor Jahren immer wieder von Gabriel beschworen - zum ersten Mal zur Chefsache geworden.
Auch wenn Norbert Röttgen (CDU) und die übrigen Umweltminister der 192 Mitgliedsstaaten die Vorarbeiten leisten. "Ein Misserfolg wäre ein ziemlich dramatisches Signal", sagte Merkel in Berlin. Sie sei motiviert, auch "den schwierigsten Punkt" zu überwinden, so dass sich alle Industrienationen - auch die Klimasünder USA und Russland - zur Einhaltung und Überwachung konkreter Klimaschutzziele verpflichteten. Daran müsse "hart gearbeitet werden". Dabei zeigte sie Verständnis, dass man von den USA, die seit 1990 ihre Kohlendioxid-Emissionen um 17 Prozent erhöht hätten, nicht bis 2020 verlangen könne, dass sie wie Deutschland die Emissionen um 40 Prozent senken.
Merkels internationales Verhandlungsgeschick in der von Männern dominierten Gipfel-Diplomatie könnte nach Einschätzung von Diplomaten einiges bewegen. Die Frage, ob sich China und Indien auf verbindliche Zusagen einlassen, dürfte wahrscheinlich eher an das Verhalten der USA gekoppelt sein. Nichtsdestoweniger spielt Deutschland als Motivator eine Rolle. Während es stolz minus 40 Prozent CO2-Abbau vor sich herträgt, will die EU insgesamt mindestens minus 20 bis 30 Prozent bis 2020 erreichen. Um bis 2050 das Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu erreichen, sollten die CO2- Emissionen bis dahin weltweit um 50 Prozent zurückgehen - der Beitrag nur der Industrieländer um 80 bis 95 Prozent.
Auch die Schwellenländer sollen verlässliche Abbauziele nennen. Bleibt das große Finanzpaket, um den Entwicklungsländern Klimaschutz ohne Verluste ihres ohnehin spärlichen Wirtschaftswachstums zu erlauben. In Berlin ist man überzeugt, dass mindestens die EU am Ende den infrage stehenden 100 Milliarden Euro zustimmen wird. Sollte ein solcher Rahmen am 18. September von den Chefs ausgehandelt sein, könnte daran, so die Kanzlerin, "im nächsten Jahr gearbeitet werden mit dem Ziel eines international verbindlichen Abkommens - und zwar so schnell wie möglich".
Die jeweilige Umsetzung erfolgt in nationaler Eigenregie: In Deutschland sollen erneuerbare Energien und Energieeinsparungen, Netzausbau, Gebäudesanierung und Elektro-Autos vorangebracht werden. Bis Oktober soll ein Energiekonzept einschließlich längerer Atomlaufzeiten entstehen. Auch hier stehen noch harte Verhandlungen der Koalition ins Haus.