Merkel diskutiert Energiewende mit Wirtschaft und Gewerkschaften
Stand: 19.05.2011
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Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Mittwoch mit Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaften über die Energiewende in Deutschland beraten, wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte. In den Koalitionsparteien ist als Zieldatum für den Atomausstieg nun 2021 oder 2022 im Gespräch. Obwohl die Atomlaufzeiten damit erheblich verkürzt würden, soll der Ausbau der erneuerbaren Energien jedoch nicht schneller vorangetrieben werden als schon letztes Jahr geplant.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien war auch Thema bei Merkels Gespräch mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften, wie Seibert mitteilte. Zudem sei es um den Ausbau des Stromnetzes, die Entwicklung der Strompreise, das Energiesparen und die Situation der energieintensiven Industrien gegangen.
Seibert sprach von einer konstruktiven Diskussion. Nach seiner Darstellung waren sich alle Seiten "einig, die Chancen dieser energiepolitischen Neuausrichtung für das Industrieland Deutschland zu nutzen".
Kritik an Stresstests
Die Reaktorsicherheitskommission hatte am Dienstag ihre Ergebnisse der Stresstests an allen 17 deutschen Atomkraftwerken vorgelegt. Darin geben die Fachleute aber keine eindeutige Bewertung oder Empfehlung ab. Zwar seien die deutschen Reaktoren insgesamt relativ sicher - aber keiner von ihnen erfülle höchste Sicherheitsstandards.
Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte, das Ergebnis der Stresstests helfe nicht weiter und liefere keine Grundlage für eine Reihenfolge zur Abschaltung der Reaktoren. DUH-Geschäftsführer Rainer Baake schlug einheitlich 28 Betriebsjahre für alle Atomkraftwerke vor. Als letztes Kraftwerk würde Neckarwestheim 2 im Jahr 2017 das Ende der Laufzeit erreichen.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin plädierte ebenfalls für das Enddatum 2017. Die sieben ältesten Kraftwerke ohne Schutz gegen Flugzeugabstürze sollten sofort abgeschaltet werden, meinte Trittin in der "Passauer Neuen Presse". SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann schloss sich dieser Forderung an. Er nannte als Enddatum für den Ausstieg "spätestens 2020".
Sander bringt Enddatum 2021 ins Gespräch
Die Regierung ist letztlich auf die Opposition angewiesen, weil der Bundesrat einem geänderten Atomgesetz zustimmen muss. Allerdings ist sich Schwarz-Gelb bislang selbst nicht einig. Bundeskanzlerin Merkel hat sich noch nicht festgelegt. FDP und CSU ringen ebenfalls noch um eine Linie.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt unterstützte die Forderung nach Abschaltung der ältesten Meiler. "Am liebsten wäre es mir, wenn sie dauerhaft vom Netz blieben", sagte sie der "Rheinischen Post". In München einigte sich CSU-Parteichef Horst Seehofer mit der bayerischen Landtagsfraktion, einen Ausstieg doch nicht bis 2020, sondern erst bis 2022 anzustreben.
Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander scheint sich dieser Linie anzunähern. Vor 2021 könne ein Ausstieg nicht erreicht werden, sagte der FDP-Politiker im Deutschlandfunk. Ein hoher Anteil der Kernenergie müsse erst noch durch erneuerbare Energien ersetzt werden.
"Schwarz-Gelb tritt auf die Bremse"
Dies soll mit einer Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes erreicht werden, für die Umweltminister Norbert Röttgen einen Entwurf vorlegte. Dabei will der CDU-Politiker aber die Ausbauziele für Ökostrom für die nächsten Jahre nicht erhöhen.
Röttgens Sprecherin Christiane Schwarte erklärte den Widerspruch zur angekündigten "beschleunigten Energiewende" damit, dass bereits das im vergangenen Jahr beschlossene Ausbauniveau sehr ambitioniert gewesen sei. SPD-Politiker Oppermann kritisiert dagegen: "Das alte Konzept wird als neu präsentiert, Schwarz-Gelb tritt jetzt beim Ausbau wieder auf die Bremse."
Röttgens Novelle soll die Kosten für den Ökostromausbau begrenzen. In seinem Entwurf heißt es, die Kosten stiegen bis 2020 um 700 Millionen Euro jährlich. Stromkunden hätten eine Verteuerung um 0,2 Cent je Kilowattstunde zu erwarten. Das wären für einen Vier-Personen-Haushalt mit 4.500 Kilowattstunden rund neun Euro zusätzlich im Jahr.