Merkel: Atomausstieg grenzt an "Quadratur des Kreises"
Stand: 09.06.2011
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Berlin - Mit Blick auf den Atomausstieg und die Energiewende hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Deutschen auf gewaltige Anstrengungen eingeschworen. "Es handelt sich um eine Herkulesaufgabe, ohne Wenn und Aber", sagte die Parteichefin am Donnerstag im Bundestag. Gleichwohl könne Deutschland die Wende schaffen und davon stark profitieren. Die Opposition sieht das genauso und signalisierte grundsätzliche Zustimmung. Dennoch richteten SPD, Grüne und Linke noch einmal heftige Worte an Merkel und ihre Regierung.
Das Kabinett hatte zu Wochenbeginn einen schrittweisen Atomausstieg bis 2022 und den Umstieg auf erneuerbare Energien beschlossen. Übergangsweise sollen noch einmal Kohle- und Gaskraftwerke gebaut werden. Dazu soll bis Anfang Juli ein 700 Seiten starkes Gesetzespaket in Bundestag und Bundesrat beraten werden, das auch Bau und Planungen beschleunigen und das Energiesparen voranbringen soll.
Merkel sagte, neu geregelt würden vier große Felder - nämlich die Nutzung der Atomkraft, die Entsorgung, die Versorgungssicherheit und das Energiekonzept der Zukunft. Dies verdeutliche die Größe der Aufgabe. "Es scheint einer Quadratur des Kreises nahezukommen", sagte die Kanzlerin. Doch fügte sie hinzu: "Wenn wir den Weg zur Energie der Zukunft so einschlagen, dann werden die Chancen viel größer sein als die Risiken."
Noch vor einem halben Jahr hatte die Regierung eine Verlängerung der Atomlaufzeiten bis etwa 2040 beschlossen. Doch nach der Atomkatastrophe von Fukushima habe sich ihre Haltung zur Atomkraft grundsätzlich verändert, sagte Merkel. Sie habe zur Kenntnis nehmen müssen, "dass selbst in einem Hochtechnologieland wie Japan die Risiken der Kernenergie nicht sicher beherrscht werden können". Deshalb müsse die Politik umsteuern.
"Das zieht einem die Schuhe aus"
Die Opposition kritisierte dennoch Merkels plötzlichen Sinneswandel. "Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet Sie sich hinstellen als die Erfinderin der Energiewende in Deutschland, das zieht einem doch die Schuhe aus", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Merkel agiere unaufrichtig und mit falschem Pathos. Den jetzt geplanten Atomausstieg bis 2022 habe die rot-grüne Bundesregierung vor zehn Jahren schon einmal beschlossen und vorbereitet. Union und FDP hätten damals dagegen "gehetzt".
Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin monierte, die Wende der Regierung komme reichlich spät. "Sie haben in der Energiepolitik der letzten zehn Jahre eine ganz einfache Rolle eingenommen: Sie waren die Dagegenpartei", meinte Trittin. Union und FDP hätten sich nicht nur für die Atomkraft eingesetzt, sondern auch den Emissionshandel kritisiert und den Ausbau der Windkraft in Süddeutschland blockiert.
Allerdings schlossen beide eine Zustimmung von SPD und Grünen zu den Regierungsplänen nicht aus. Sie forderten jedoch Nachbesserungen im Gesetzgebungsverfahren. So müsse sich die Regierung zu einer "ergebnisoffenen Endlagersuche" durchringen und darauf achten, dass alle Wertschöpfungsstufen der Wirtschaft in Deutschland erhalten bleiben, meinte Steinmeier. Auch Trittin sprach von "massivem Änderungsbedarf".
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi warb für einen viel rascheren Ausstieg schon bis 2014 und eine Festschreibung im Grundgesetz. Darüber hinaus verlangte Gysi gravierende weitere Änderungen. Es sei eine Frage der Demokratisierung, dass die Politik die Entscheidungsgewalt über zentrale Fragen wie die Energie- und Wasserversorgung bekomme. Auch Stromnetze gehörten "in öffentliche Hand, denn sie sind ein Machtinstrument".
Rösler spricht von Unaufrichtigkeit
Neben Merkel warben auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt für die Energiewende der Regierung. "Es ist ein gutes, es ist ein vernünftiges Energiekonzept für Deutschland", sagte Rösler. Er warf SPD und Grünen Unaufrichtigkeit vor. Beim ursprünglichen Atomausstiegsgesetz seien die beiden Parteien die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie die Energieversorgung langfristig gesichert werden könne. Hasselfeldt warb um einen breiten Konsens. Wer behaupte, ein Ausstieg vor dem von der Regierung anvisierten Jahr 2022 sei möglich, "der streut den Leuten Sand in die Augen, der gaukelt ihnen etwas nicht Realisierbares vor", fügte sie hinzu.
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