Marktmacht beschert Stromkonzernen Milliardengewinne
Stand: 20.10.2010
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Berlin/Saarbrücken - Der geringe Wettbewerb unter den großen Stromkonzernen in Deutschland führt zu deutlich überhöhten Strompreisen. Das ist das Ergebnis einer am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes im Auftrag der Grünen. Demnach hätten allein die Kunden des RWE-Konzerns im vergangenen Jahr insgesamt 2,3 Milliarden Euro zu viel gezahlt. Um so viel liege die Rendite von RWE über den "für Dax-Konzerne üblichen Renditen auf Märkten mit funktionierendem Wettbewerb", so die Autoren der Studie.
Pro Kilowattstunde Strom fallen der Studie zufolge bei RWE 1,1 Cent an Mehrkosten an. Das ergibt für eine Durchschnittsfamilie mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden pro Jahr jährliche Mehrkosten von knapp 40 Euro. Auch bei E.ON und EnBW liegt die Höhe der Gewinne, die diese Konzerne mehr abschöpfen als andere Dax-Unternehmen, der Studie zufolge in einem ähnlichen Bereich. Der Vattenfall-Konzern wurde in der Studie nicht untersucht, da er nicht an der Börse notiert ist und seine Zahlen nicht veröffentlichen muss.
Gleichzeitig hätten die großen Energieerzeuger ein deutlich geringeres Geschäftsrisiko als die anderen Großkonzerne, hieß es in der Untersuchung. So habe die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise den Gewinnen von RWE, E.ON und EnbW "nur sehr wenig anhaben" können. Insgesamt hätten die drei großen Erzeuger im vergangenen Jahr 23 Milliarden Euro Gewinn eingefahren, seit 2002 seien es 100 Milliarden Euro gewesen. 2010 könne für die Unternehmen ein weiteres Rekordjahr werden. Alleine in der ersten Jahreshälfte hätten sie 15 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Daneben werde die Verlängerung der Laufzeiten für Atommeiler den Konzernen in den kommenden Jahren Zusatzeinnahmen von 70 Milliarden Euro bringen.
Reaktionen auf die Studie
"Mehr Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt würde den Strompreis in Deutschland deutlich senken", urteilten die Autoren der Studie. Die Grünen kritisierten den Umfang der Renditen der Konzerne. Die Gewinnspanne der Konzerne bewege sich "in astronomischen Höhen von deutlich über 25 Prozent", erklärte die Fraktionsvizechefin im Bundestag, Bärbel Höhn. Durch die Laufzeitverlängerung bei den Atomkraftwerken werde der geringe Wettbewerb in der Branche noch zementiert. Die Gewinne seien ein in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einmaliges Geschenk.
Der Chef der Monopolkommission, Justus Haucap, sagte der Zeitung: "Die enormen Gewinne überraschen nicht. Es gibt keinen funktionsfähigen Wettbewerb bei der Energieerzeugung in Deutschland, das wurde durch die Laufzeitverlängerung für die Kernkraft noch einmal verfestigt."
Der Energieexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Holger Krawinkel, sagte: "Der Wettbewerb auf dem deutschen Stromerzeugungsmarkt ist eine Farce." Die Energieriesen verfügten über mehr Marktmacht als vor der Liberalisierung vor gut zehn Jahren. "Das ist vor allem auf Versagen der Politik zurückzuführen, die nicht ausreichend für Wettbewerb gesorgt hat", sagte Krawinkel der Zeitung.
Stromkonzerne weisen Ergebnisse zurück
Die Konzerne widersprachen dieser Darstellung allerdings entschieden. RWE betonte: "Die Studie ist methodisch falsch und irreführend." Auf den Energiemärkten herrsche harter Wettbewerb. Von geringen Risiken im Stromgeschäft zu sprechen, sei angesichts der hohen Investitionen für moderne Kraftwerke und leistungsfähige Netze abwegig. "Aussagen, welche Gewinne oder Renditen berechtigt sind, und welche nicht, sind in einer Marktwirtschaft völlig willkürlich", hieß es weiter. Und: Die Angaben zu den Gewinnen aus der Laufzeitverlängerung seien "völlig unrealistisch".
Auch ein E.ON-Sprecher wies die Ergebnisse der Studie "aufs Schärfste" zurück. Die Energiewirtschaft sei die kapitalintensivste Industrie in Deutschland und voller unternehmerischer Risiken, betonte er.