Mappus will schnellen Kohle-Ausstieg und längere Atomlaufzeiten
Stand: 13.07.2010
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Berlin - Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) spricht sich für einen zügigen Kohle-Ausstieg zugunsten der Atomenergie aus - und zündelt damit weiter gegen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der kürzere Laufzeiten will. "Wir sollten den Ausbau der erneuerbaren Energien zunächst dafür nutzen, schneller aus Kohle und Gas auszusteigen und nicht am allerschnellsten aus der Kernenergie, wie es der Umweltminister gerne hätte." Dies sagte Mappus der "Financial Times Deutschland" (Montag). Nach seiner Vorstellung sollen die Atomkraftwerke mindestens 15 Jahre länger am Netz bleiben. Gegenwind bekam er von SPD, Grünen, Linken sowie von Greenpeace.
FDP-Chef Guido Westerwelle machte sich wie Mappus für deutlich längere Atommeiler-Laufzeiten stark. "Wenn wir die Brücke zu kurz machen, dann stürzen wir ins Loch", warnte Westerwelle. "Die Idee, dass wir in fünf Jahren ausschließlich von Sonne und Wind und Wasser leben könnten bei der Energieversorgung, ist einfach falsch, und das weiß auch jeder, dass es naiv wäre, so eine Energiepolitik zu betreiben." Röttgen wollte sich am Montag nicht dazu äußern.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf Mappus ein durchsichtiges Manöver vor. "Mit seinem vermeintlichen Schmusekurs geht es ihm (...) schlicht und einfach darum, die Laufzeiten der Atomkraftwerke auf Teufel komm raus zu verlängern." Die Linke-Energiepolitikerin Dorothée Menzner warnte davor, hocheffiziente, schnell regelbare Erdgasblockheizkraftwerke zu "beerdigen". Sie seien die Brückentechnologie für den Ausbau von Öko-Energien.
Die Südwest-SPD attackierte den Regierungschef. "Mappus agiert als politischer Flügel der EnBW", sagte SPD-Generalsekretär Peter Friedrich der Nachrichtenagentur dpa. CDU-Umweltministerin Tanja Gönner und CDU-Fraktionschef Peter Hauk stellten sich hinter Mappus.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hält die Forderung von Mappus nach einem schnellen Ausstieg aus der Kohleenergie ebenfalls für einen Trick. "Baden-Württemberg hat kaum Kohlekraftwerke und ist voll von - zum Teil uralten - Atomkraftwerken", sagte Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer der Nachrichtenagentur dpa. "Mappus geht es also gar nicht um einen energiepolitischen Vorschlag, sondern nur darum, seinem Hauskonzern EnBW zu zusätzlichen Milliarden zu verhelfen, auf Kosten der Sicherheit der Menschen in seinem Land."
Das Umweltbundesamt sieht kurzfristig keinen Gewinn für den Klimaschutz, wenn Kohlekraftwerke für die Stromerzeugung wegfielen. "Das wird europäisch woanders emittiert", sagte eine Sprecherin. Die Obergrenze für den Ausstoß von Treibhausgasen sei europäisch festgelegt. Sie sagte zugleich: "Aus Nachhaltigkeitsgründen sollten erst Atomkraftwerke abgeschaltet werden, dann Kohlekraftwerke."
Stein- und Braunkohle steuerten 2009 knapp 256 Milliarden Kilowattstunden zur Stromerzeugung bei, die Kernenergie 135 Milliarden, Erdgas 77 Milliarden und die Öko-Energien 93 Milliarden Kilowattstunden. Die Bundesregierung will bis Ende September ein Energiekonzept erstellen und über längere Atom-Laufzeiten entscheiden, die für zusätzliche Gewinne der Energiekonzerne sorgen.
Der Streit zwischen dem Bund und Schleswig-Holstein über die Atomsicherheit ist vorerst beigelegt. Das Land beteiligt sich auch künftig an einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ergab laut Berliner Regierungskreisen ein Gespräch zwischen Röttgen und Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Schleswig-Holsteins Regierungssprecher Knut Peters wies angebliche Differenzen darüber zurück, dass die Kieler Atomaufsicht im Gegensatz zum Bund umfangreiche Nachrüstungen an alten AKW für notwendig halte.
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