Mappus Watergate: EnBW-Deal war doch nicht so sauber
Stand: 20.06.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Stuttgart - Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus gerät immer mehr unter Druck. Er betonte stets, dass der EnBW-Deal unter seiner Führung völlig rechtens war. Doch inzwischen sind Details bekannt geworden, die genug Stoff für einen erstklassigen Politkrimi liefern.
Es geht um ein Milliardengeschäft, Geheimniskrämerei, Wahlkampf, Kumpelei und einen Verfassungsbruch. Die Hauptrolle in diesem Stück spielt Stefan Mappus (CDU). Der 46-jährige Ex-Ministerpräsident von Baden-Württemberg ist heute ein arbeitsloser politischer Frührentner, der verbissen um "Ehre und Karriere" kämpft.
Die Bühne ist ein Untersuchungsausschuss, der den hoch umstrittenen, milliardenschweren Kauf eines 45-prozentigen Anteils am bundesweit drittgrößten Versorger EnBW durch die frühere Mappus-Regierung durchleuchtet. Das Drama enthüllt, wie sehr sich der CDU-Mann in die Hand seines alten Freundes - eines Investmentbankers - begeben hat.
Nacht- und Nebelaktion
Erster Akt: Mappus war Ende 2010 - wenige Monate vor der Landtagswahl - wegen der Massenproteste gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 in großer Bedrängnis und setzte zum Befreiungsschlag an. In einer "Nacht- und Nebelaktion" - wie Grüne und SPD sagen - zog er das EnBW-Geschäft durch, um zu zeigen, "dass er auch Wirtschaft kann", wie sein Berater formulierte. Um den Deal mit dem Pariser Energiekonzern EdF geheim halten zu können, umging er den Landtag. Der Staatsgerichtshof stufte dies als verfassungswidrig ein. Da war Mappus aber bereits abgewählt.
Zweiter Akt: Nach monatelangem Zögern beantragt Grün-Rot einen Untersuchungsausschuss. Grüne und SPD stellen Mappus' Begründung für die Geheimoperation infrage, die Electricité de France (EdF) habe jede Bedingung für den Deal abgelehnt. Seine Rechtfertigung, ausländische Investoren hätten die EnBW wegschnappen können, hält die Koalition ebenfalls für abwegig. Nicht zuletzt habe Mappus in der Eile einen überhöhten Kaufpreis von 4,7 Milliarden Euro akzeptiert. Mappus sieht sich verleumdet. Der Streit nimmt so viel Fahrt auf, dass er seinen neuen Job beim Pharmakonzern Merck aufgibt.
Alte Kumpels aus der JU
Dritter Akt: Ein alter Kumpel von Mappus aus Zeiten der Jungen Union hat das Geschäft miteingefädelt: Dirk Notheis, Deutschlandchef von Morgan Stanley, einer der größten Investmentbanken der Welt. Der zentrale Vorwurf gegen Notheis lautet, er habe den Preis nicht richtig ermittelt. Mappus verteidigt im Ausschuss seinen Freund:
Morgan Stanley sei keine "Würstchenbude". Ende 2010 hatte Mappus das Geschäft quasi als Schnäppchen dargestellt. Durch den raschen Atomausstieg nach Fukushima schreibt die EnBW nun rote Zahlen. Nach Notheis' lückenhafter Aussage vor dem Ausschuss überlässt Morgan Stanley den Abgeordneten drei Ordner mit zahlreichen persönlichen Mails, die der Vorstandschef Ende 2010 verfasst hat.
Mappus droht mit Merkozy
Vierter Akt: Verblüffende Details aus den Mails werden bekannt. In einer Nachricht an den Morgan-Stanley-Chef in Frankreich, René Proglio, kurz vor dem Abschluss erklärte Notheis, 40 Euro je Aktie seien "mehr als üppig, wie wir beide wissen". Als EdF zögert, droht er, Mappus werde notfalls Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einschalten, die dann Präsident Nicolas Sarkozy alarmiere. Über Mappus schreibt er an Proglio: "Unterschätze nicht die Macht dieses Kerls. Er kontrolliert 30 Prozent der Parteitagsdelegierten und kann Angela mit seinen Truppen killen." Grünen-Obmann Uli Sckerl kommentiert: "Notheis hat Mappus zu einer Marionette und einem Unterschriftenautomaten gemacht."
"Für Dich mach ich doch alles"
Fünfter Akt: Die Männerfreundschaft zwischen Notheis und Mappus führt sogar dazu, dass der Banker die 17-Millionen-Euro-Rechnung für seine Beratungsleistung erst nach der Wahl stellt. Es sei gerade erst wieder ein "Scheiß-Artikel" erschienen. Ob das Land das Geld erst später überweisen könne, fragt Mappus per Mail. "Für Dich mach ich doch alles", antwortet Notheis.
Nachspiel: Grüne und SPD wollen Mappus und Notheis im U-Ausschuss an diesem Freitag noch einmal in die Mangel nehmen und die zentralen Fragen Kaufpreis und Umgehung des Parlaments klären. Zur rechtlichen Frage soll auch der Anwalt Martin Schockenhoff erneut befragt werden. Er hat behauptet, dass Mappus trotz Warnungen entschieden habe, das Parlament auszuschalten. Ein ehemaliger Minister aus Mappus' Kabinett sieht sich bestätigt: "Es verfestigt sich der Eindruck, dass er in vielen Dingen überfordert war."