Rom (dpa) - Trotz brütender Hitze wagen es schon seit Tagen nur
besonders risikofreudige Italiener, den Aufzug zu benutzen - die
meisten ziehen es wegen der ständigen Gefahr von Stromausfällen vor,
bei Temperaturen nahe 40 Grad schweissüberströmt Treppen zu steigen.
"Zwischen 10 und 18 Uhr Blackouts möglich" - solche und ähnliche
Warnschilder an den Lifttüren verleihen Fahrten mit dem Aufzug einen
besonderen Nervenkitzel. Besonders für Menschen, die unter Platzangst
leiden, ist es der grösste Albtraum, im Fahrstuhl stecken zu bleiben.
Schon seit gut einer Woche geht es in Italien wie sonst nur in
Entwicklungsländern zu. Die elektrische Energie reicht kaum noch aus,
jederzeit ist mit Stromausfällen oder gezielten Stromabschaltungen zu
rechnen. Als Grund der Stromknappheit nennen die Energieversorger die
vielen Klimaanlagen, die die Hitzegeplagten Italiener rund um die Uhr
laufen lassen.
Die Angst vor Stromausfällen ist mittlerweile sogar ein
beherrschendes Thema in den Nachrichten. "Bis 12.00 keine
Stromausfälle zu befürchten", lautete etwa am Montag eine Schlagzeile
der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Später wurde sogar
vermeldet, dass bis Dienstagabend vermutlich keine Engpässe auftreten
sollten.
Doch was den Bewohnern der Apennin-Halbinsel in den darauf
folgenden Tagen blüht, bleibt ungewiss. Insgesamt stehen täglich
maximal 55.000 Megawatt
Strom zur Verfügung, der tatsächliche
Verbrauch lag in den vergangenen Tagen nur knapp darunter.
Galten Klimageräte bis vor ein paar Jahren als purer Luxus, so
will jetzt kaum jemand auf die künstliche Abkühlung am Arbeitsplatz
oder in der eigenen Wohnung verzichten. "Die
Klimaanlagen in den
Autos haben die Italiener dazu gebracht, auch in den eigenen vier
Wänden solche Geräte zu installieren", analysierte eine Zeitung den
neuen Trend. Immer mehr Geschäfte spezialisieren sich darauf,
ausschliesslich Klimaanlagen zu verkaufen - wie bei den Autos wird mit
Null-Zins-Krediten um Kunden geworben.
Schon vor Beginn der heissen Jahreszeit hatten Experten vor
drohendem Strommangel gewarnt. Der
Stromverbrauch werde höher als im
Winter sein, falls Millionen Klimageräte gleichzeitig in Betrieb sein
sollten, hiess es. Im Notfall müsste mehr Strom importiert werden oder
müssten sogar Industriebetriebe vom Netz genommen werden.
Die Prognose traf pünktlich ein. Den ganzen Juni hindurch ist es
im ganzen Land brütend heiss gewesen. In Rom meldeten die Meteorologen
täglich Temperaturen deutlich über 30 Grad. Wegen der extrem hohen
Luftfeuchtigkeit fühlt es sich sogar an wie 40 Grad oder mehr.
Die Medien befassen sich mittlerweile schon intensiv mit den
Gründen der Energieknappheit. "War es weise, auf die Atomenergie zu
verzichten?", lautet eine der am häufigsten gestellten Fragen.
Italien hatte zunächst einige Atomreaktoren gebaut, sie danach aus
Umweltgründen aber wieder abgeschaltet. Einige Blätter geben ihren
Lesern auch Tipps fürs
Energiesparen. "Die TV-Geräte sollten ganz
abgeschaltet werden, denn auch das Stand-by verbraucht Energie. Auch
Handys sollten nicht tagsüber aufgeladen werden", riet etwa die
Turiner Tageszeitung "La Stampa".