Laufzeit-Frage bleibt weiter offen
Stand: 09.08.2010
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Berlin - Die Bundesregierung hat einen angeblichen Kompromiss im Streit über längere Laufzeiten der Atomkraftwerke zurückgewiesen und sie als Spekulation bezeichnet. Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) berichtete von Plänen, ältere Meiler wegen neuer Sicherheitsanforderungen ab 2011 vom Netz zu nehmen, dafür sollten jüngere Anlagen dann deutlich länger laufen. Die Grünen und Verbände warnten davor, die Kernkraftwerke über Jahrzehnte am Netz zu lassen.
Das Energiekonzept wird wohl erst im Herbst unter Dach und Fach sein. Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte am Montag in Berlin: "Der Fahrplan besagt, dass bis Ende August die Energieszenarien berechnet werden und bis Ende September das gesamte Energiekonzept der Bundesregierung ausgearbeitet werden wird." Die Sicherheit der Meiler stehe obenan. "Wir haben ja nie einen Zweifel daran gelassen, dass Sicherheit für uns der zentrale Maßstab ist."
Der angebliche Kompromiss sieht nach SZ-Angaben so aus: Wenn alle 17 Reaktoren zusätzliche Strommengen für sechs oder acht Jahre erhielten, aber ältere Anlagen zugleich abgeschaltet würden, ließe sich deren Strommenge auf jüngere Anlagen übertragen - die deutlich mehr Laufzeiten bekämen als sechs oder acht Jahre. Nach dem jetzigen Atomgesetz ginge der letzte Meiler etwa 2025 vom Netz. Bereits jetzt können Laufzeiten von älteren auf jüngere Anlagen übergehen.
Das Umweltministerium sprach von Spekulationen und verwies auf das Energiekonzept. "Die Frage der Sicherheitsstandards wird ein wichtiger Punkt sein, wenn es um Laufzeitverlängerungen geht." Was dies für einzelne Kernkraftwerke bedeute, werde Teil des Konzepts. Die Regierung lässt 4 bis 28 Jahre zusätzlich durchrechnen.
Die Kernkraftwerksbetreiber planen einen Vertrag mit der Regierung über die Brennelementesteuer. Das "Handelsblatt" schreibt (Dienstag), Vertreter der vier Energieversorger EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall und Finanzstaatssekretär Werner Gatzer träfen sich in dieser Woche, um eine Vertragslösung auszuloten. Die Stromkonzerne schlügen eine Stiftung vor, um den Bund am Zusatzgewinn längerer Laufzeiten zu beteiligen und Öko-Energien zu fördern. Die Steuer soll 2,3 Milliarden Euro im Jahr bringen. Der Präsident des Deutschen Atomforums, Ralf Güldner, hatte eine Vertragslösung im Juli angedeutet.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warnte davor, alte Meiler mit zusätzlichen Laufzeiten auszustatten. "Das ist ja das Absurdeste überhaupt", sagte der Ex-Umweltminister, in dessen Amtszeit der Atomausstieg mit der Energiewirtschaft vereinbart worden war. Schwarz-Gelb mache Klientelpolitik. Der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch nannte den Bericht über längere Laufzeiten Spekulation.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace bekräftigte, die Abschaltung älterer Atomkraftwerke (AKW) sei mögliche und überfällig. Mit dem angeblichen Kompromissvorschlag erkenne die Bundesregierung an, "dass es bei deutschen AKW eklatante Sicherheitsmängel gibt", sagte Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl. Die Klima-Allianz, ein Bündnis von rund 100 Umweltverbänden, Gewerkschaften und Kirchen, sieht schon bei einer moderaten Laufzeitverlängerung eine Verdopplung der Reststrommenge: Dann blieben die Meiler bis 2050 erhalten, weil acht Jahre auf dem Papier mindestens 20 Jahre in der Praxis bedeuteten.