Kritik an Bayerns Forderung nach Stromtrassen-Moratorium
Stand: 07.02.2014
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Berlin - EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat mit Unverständnis auf die Forderung Bayerns nach einem Moratorium für den Ausbau der Stromtrassen reagiert. In Bayern gingen "in den nächsten Jahren große Kernkraftwerke vom Netz", sagte Oettinger der "Welt" vom Donnerstag. Die Leitungen seien "notwendig - und zwar sehr schnell". Die bayerische Staatsregierung hatte den Ausbau des Stromleitungsnetzes zuvor in Frage gestellt.
Wenn Atomkraftwerke abgeschaltet würden, werde Strom aus anderen Quellen benötigt, sagte Oettinger. Den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) forderte er zum Einlenken auf. "Wenn er den Bau der Stromtrassen ermöglicht und mitwirkt, dass die Akzeptanz steigt, ist das sehr willkommen." Um Proteste gegen den Netzausbau gering zu halten, müssten die Bürger eingebunden werden. "Man muss mit den Bürgermeistern und Bürgern sprechen, welcher Trassenverlauf der umweltverträglichste ist - links oder rechts ums Dorf herum."
Energiepolitik der CSU gefährde die Versorgungssicherheit in Bayern
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, warf Seehofer Populismus vor. "Gerne will die CSU für die Energiewende sein, aber wenn es um unangenehme Themen geht, wird populistisch dagegen geschossen", sagte Hofreiter der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". Die Energiepolitik der CSU gefährde die Versorgungssicherheit in Bayern und somit einen der industriellen Kerne Deutschlands.
Die bayerische Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) hatte nach Bürgerprotesten gegen neue Höchstspannungsleitungen ein Moratorium für den Stromtrassenbau in Bayern gefordert. Alte Planungen müssten zudem überprüft werden, weil sich die Geschäftsgrundlage mit der von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geplanten Reform der Ökostrom-Förderung ändere, zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) am Donnerstag die CSU-Politikerin. In Bayern sind im März Kommunalwahlen.
Die Betreiber des größten Netzausbauprojektes der Energiewende hatten am Mittwoch den geplanten Verlauf der längsten neuen Stromtrasse quer durch Deutschland vorgestellt. Die rund 800 Kilometer lange sogenannte Suedlink-Verbindung soll ab 2022 Windstrom von Schleswig-Holstein bis nach Bayern und Baden-Württemberg transportieren.
Informationsveranstaltungen für Bürger und Gemeinden geplant
Informationsveranstaltungen für Bürger und Gemeinden entlang des geplanten Trassenverlaufs würden erst dann starten, wenn es eine klare Unterstützung der Stromverbindung auf Landes- und Bundesebene gebe, betonten die Betreiber. Der Geschäftsführer des Betreibers Tennet, Lex Hartmann, sagte der "FAZ", ein Dialog mit den Bürgern sei sinnlos, "wenn die Grundsatzfrage von der Politik neu aufgeworfen wird". Der Antrag für den ersten Abschnitt von Suedlink, die Verbindung Wilster-Grafenrheinfeld, solle frühestens im April gestellt werden.
Der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) sprach sich angesichts der Bürgerproteste für eine stärkere Erdverkabelung aus. "Die Erdkabel sind zwar erstmal teurer. Aber wenn die Realisierung der Trasse durch ihren Einsatz beschleunigt werden kann, gleicht das die Mehrkosten aus", sagte er der "Welt". Oettinger lehnte unterirdische Leitungen hingegen ab. Das bedeute "fünf- bis achtfach höhere Kosten", sagte er der Zeitung. Oettinger kritisierte auch die Bundesländer insgesamt und warnte vor Egoismus bei der Energiewende. Zwar hätten die Landesregierungen einen Eid geschworen, die Interessen ihres Landes zu vertreten. "Aber 16 Einzelpläne ergeben das Gegenteil einer guten deutschen Energiewende", mahnte Oettinger.
NRW-Wirtschaftsminister nennt Seehofer "energiepolitischen Irrläufer"
Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) hat die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) nach einem Planungsstopp für große Stromtrassen in den Süden scharf kritisiert. "Seehofer ist ein energiepolitischer Irrläufer. Der muss dringend ins Abklingbecken", sagte der SPD-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitag).
Deutschland brauche beim Netzausbau Fortschritte. "Irgendwoher muss Bayern künftig seine Grundlast abdecken", sagte Duin und warnte: "Ohne die nötigen Netze werden irgendwann 2018 oder 2019 die Stimmen lauter werden, Atomkraftwerke in Süddeutschland länger laufen zu lassen. Das möchte ich nicht."
Auch der Deutsche Industrie-und Handelskammertag (DIHK) gab zu Bedenken, ohne den Bau neuer Stromautobahnen könne die Energiewende in ganz Deutschland nicht funktionieren. Gerade in Bayern werde es nicht gelingen, zu vertretbaren Kosten energieautark zu werden, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag).
Nach dem Fahrplan für den Ausstieg aus der Atomenergie solle es Ende 2022 in Bayern keine Kernkraftwerke mehr geben. Bis dahin müssten also die neuen Stromautobahnen fertig sein. "Es gibt in Deutschland im Übrigen kein Verfahren für Großprojekte, das so transparent ist wie der Stromnetzausbau", ergänzte Wansleben.