Koordinierung der Energiewende: Altmaier auf Deutschlandtour
Stand: 10.07.2012
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Hannover/Frankfurt - Die Energiewende in Deutschland hat noch lange kein einheitliches Konzept. Derzeit werkelt jedes Bundesland an einer eigenen Strategie. Bundesumweltminister Peter Altmaier will das ändern. Dazu besucht er derzeit die verschiedenen Landesregierungen.
Um 5.20 Uhr verliert sich eher selten ein Bundesminister am Berliner Hauptbahnhof. Die Sonne geht langsam über der Hauptstadt auf, als Peter Altmaier ganz allein auf Gleis 13 auftaucht. Als erstes sucht er am Wagenstandsanzeiger den Wagen mit dem Bordbistro. Eine blaue Mappe mit der Aufschrift "Dienstag" unter dem Arm, macht sich Altmaier auf zu einer lehrreichen Konfrontation mit den Mühen des Amtes. "48 Tage bin ich im Amt, die Hälfte der Schonzeit ist um", sagt er. Hunderte Gespräche liegen hinter ihm, nun muss er Weichen stellen, die Probleme gewähren keine Schonfrist.
Es geht erst nach Hannover, dann per Zug weiter nach Frankfurt am Main, das Thema seiner kleinen Deutschlandtour lautet lapidar: "Koordinierung der Energiewende". Doch dahinter verbirgt sich eine der schwierigsten Aufgaben nach der Euro-Rettung. 16 Bundesländer werkeln an eigenen Energiekonzepten. Altmaier will bis zum Herbst Vorschläge machen, wie der Ausbau der erneuerbaren Energien besser unter einen Hut zu bekommen ist. "Die Energiewende ist das größte Innovationsprojekt in der deutschen Nachkriegsgeschichte", sagt er.
Energiekonzerne fühlen sich überrumpelt
Er hat den Auftrag, dass das Projekt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bis zur Bundestagswahl 2013 nicht auf die Füße fällt. Er vergleicht die Energiewende mit der Entwicklung des Handys - und hofft, dass diese am Ende ebenso eine Erfolgsgeschichte wird. In den 90er Jahren hätte zunächst auch niemand gedacht, dass es mal so etwas wie Smartphones mit Internetzugang geben werde, sagt Altmaier.
In Lehrte bei Hannover sieht er sich in der Netzleitzentrale von E.ON mit den Sorgen über die schwankende Windstromeinspeisung gerade auf den unteren Verteilnetzebenen konfrontiert. Altmaier fragt, warum die Netzbetreiber trotz des seit Jahren stattfinden Ausbaus von Solar- und Windenergie nun solche Probleme bei der Energiewende hätten. Antwort von E.ON-Netz-Geschäftsführer Dietrich Max Fey: "Die Geschwindigkeit des Atomausstiegsprozesses war überraschend."
Kein willkürlicher Ökostromausbau mehr
Fey erzählt, dass in Schleswig-Holstein künftig nur 20 Prozent der produzierten Ökoenergie auch dort verbraucht werden, der Rest des Stroms muss über noch zu bauende Stromtrassen gen Süden. Und überall würden Dächer mit Solarparks bestückt, obwohl zum Teil kaum Netze da seien, die den Strom aufnehmen und verteilen können.
Altmaier sagt, dass künftig dort der Bau von Windräder, Solar- und Biogasanlagen verstärkt stattfinden soll, wo es Stromtrassen gibt. Und bei den Windparks auf See soll sich deren Standort nach dem günstigsten Ort für Netzanschlüsse ausrichten und nicht mehr umgekehrt. Letztlich könnten nach Meinung von Experten künftig für alle Regionen Ausbauquoten bei Solar, Wind und Biomasse festgelegt werden, denn der willkürliche Ausbau macht auch den Netzausbaubedarf zunehmend unkalkulierbar. So etwas würde zu Kontroversen mit den Bundesländern führen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) schreibt Altmaier zudem in sein Aufgabenheft, Hessen als Wirtschaftsstandort brauche verlässliche und bezahlbare Energie.
Altmaier will alle einbinden
Altmaier ist vor allem eines, ein Kommunikator, eine nimmermüde Redemaschine, ein Umarmer. Am Ende muss er es schaffen, gute Gespräche in ein sinnvolles Ergebnis umzumünzen. Er schmiedet Kompromisse, doch sind sie immer zielführend? Bei der Solarförderung etwa wird das Ziel einer Kostenbremse für die Bürger, die die Förderung über den Strompreis bezahlen, wohl verfehlt werden.
Als diskursiv beschreibt der gewichtige Saarländer ("Ich esse gern") seinen Politikstil. Wenn er alle einbindet, kann am Ende keiner sagen, er habe nichts damit zu tun. Die Nagelprobe wird sein, ob er eine erstmalige gesetzliche Regelung für eine bundesweite Endlagersuche durchsetzt, um Alternativen zum bekämpften Salzstock Gorleben zu haben. Amtsvorgänger Norbert Röttgen hatte eigenen Angaben zufolge 90 Prozent des Gesetzes zur Suche einer Lagerstätte für hoch radioaktiven Atommüll ausgehandelt. Dann kam dem CDU-Mann das Desaster bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen dazwischen.
Endlagersuchgesetz mit Opposition
Altmaier muss für ein Endlagersuchgesetz die SPD und die Grünen ins Boot bekommen. Daher lud er SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin - beide seine Amtsvorgänger - zum Essen in seine Berliner Altbauwohnung ein. Doch so ganz klar sind die neuen Gesprächsfäden nicht, Röttgen hatte auf feste Bund/Länder-Gesprächsformate gesetzt, Altmaier setzte zunächst auf informelle Gespräche, diverse Vorschläge wabern durch den Raum.
Greenpeace fordert schon den Abbruch der Endlagerverhandlungen, weil alles intransparent sei und den Bürgern bei diesem Kampfthema nicht ein fertiges Gesetz serviert werden könne. Altmaier wäre nicht Altmaier, wenn er hier ein Problem sehen würde. Auch auf Greenpeace will er beim Thema Endlager noch mal zugehen, kündigte er an.