Konflikt um Atomkraft nicht befriedet - trotz Energiewende
Stand: 21.11.2011
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd
Berlin - Im vergangenen Jahr brauchte der Castortransport ganze 92 Stunden von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague bis zum Zwischenlager in Gorleben - so lange wie kein Atommülltransport jemals zuvor. Im Wendland protestierten zehntausende gegen den strahlenden Abfall - auch das war ein Rekord. Wenn in diesem Jahr der Castor wieder rollt, hoffen die Veranstalter der Protestaktionen erneut auf massiven Zulauf, denn trotz der Wende in der Atompolitik schwelt der Konflikt weiter.
2010 waren die Fronten klar: Gerade einmal eine gute Woche vor dem Start des Castortransports hatte der Bundestag beschlossen, die deutschen Atomkraftwerke durchschnittlich zwölf Jahre länger am Netz zu lassen. Und noch einmal wenige Wochen davor lief das zehnjährige Moratorium aus, währenddessen der Salzstock Gorleben nicht auf seine Eignung untersucht worden war. Atomkraftgegner waren sauer, die Wendländer sowieso. Menschen aller Gesellschaftsschichten und allen Alters versammelten sich zum Castor-Protest.
Atom-Konflikt noch nicht befriedet
Aber dieses Jahr? In einer Hauruckaktion ließ die Bundesregierung nach der Atomkatastrophe von Fukushima die acht ältesten Reaktoren vom Netz nehmen, die übrigen sollen bis 2022 folgen. Und auch bei der Endlagersuche deutet sich ein Kompromiss an: Vergangene Woche verkündete Umweltminister Norbert Röttgen nach einem Treffen mit Vertretern der Länder eine Neuauflage der Endlagersuche. Deutschland ist auf einmal eine "weiße Landkarte", wie Röttgen es formulierte. Ein künftiges Endlager kann theoretisch überall entstehen, so lange es eben der sicherste Standort ist.
Wer allerdings glaubt, damit sei ein jahrzehntelanger Konflikt befriedet, der irrt. Gründe zu demonstrieren gibt es aus Sicht der Umweltverbände nach wie vor. "Jeder Atommülltransport stellt eine Gefahr dar und jeder Atommülltransport erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es am Ende doch auf Gorleben als Endlager hinausläuft", sagte etwa der Energieexperte der Umweltorganisation BUND, Thorben Becker, der Nachrichtenagentur dapd.
Und auch die Grünen bleiben skeptisch. "Auch nach dem Beschluss über den Atomausstieg und der Ankündigung eines Neuanfangs in der Endlagerfrage bleiben die Proteste gegen den Castor berechtigt", sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, der dapd. Die neun noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke produzierten auch weiterhin Atommüll, "von dem niemand weiß, wo er hin soll". Zwar habe die Bundesregierung einen Neuanfang in der Endlagerfrage angekündigt, baue aber zugleich weiter in Gorleben an einem Endlager.
Röttgen will Atomkraftgegner ernst nehmen
Gerade einmal 500 Meter ist das Zwischenlager in Gorleben vom Gelände des Erkundungsbergwerks Gorleben entfernt. Kein Wunder, dass kein anderer Atommülltransport in Deutschland derart umstritten ist wie der Gorleben-Transport. Auch Umweltschutzverbände und Anti-Atom-Initiativen misstrauen der Ankündigung für eine neue Endlagersuche. Von Placebo-Politik und einer Unverbindlichkeitserklärung ist die Rede. Greenpeace warnte, wenn in Gorleben weiter erkundet werde, sei das ganze Verfahren zum Scheitern verurteilt.
Umweltminister Norbert Röttgen versicherte dagegen, dass er die Bedenken ernst nehme. Es müsse klar sein, dass über keinen Standort entschieden wird, "bevor nicht ein Vergleich mit anderen Standorten vorgenommen worden ist", betonte er zuletzt und sprach von einem "Entscheidungsmoratorium".
Aber auch in seiner eigenen Partei gibt es Widerstand gegen den Castor-Transport. Die niedersächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Maria Flachsbarth, sprach sich dafür aus, die Castoren in einem anderen Bundesland zu lagern. "Das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Strahlenschutz sollten die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, die Castoren, zu deren Aufnahme Deutschland völkerrechtlich verpflichtet ist, in einem anderen Bundesland zwischenzulagern", verlangte sie. Danach sieht es dieses Jahr allerdings nicht aus. Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin auf Protest einstellen müssen.
Polizeigewerkschaft sorgt sich wegen Strahlung
Indies fordert die rheinland-pfälzische Gewerkschaft der Polizei (GdP), den anstehenden Castor-Transport umzuleiten oder ganz abzusagen. Es müsse geklärt sein, dass keine Gefahr durch Strahlung für die Polizisten bestehe, schrieb die GdP an Ministerpräsident Kurt Beck und Innenminister Roger Lewentz (SPD), wie die Gewerkschaft am Montag mitteilte. Die GdP spricht sich dafür aus, den kürzesten Weg in das Kernkraftwerk Philippsburg in Baden-Württemberg zu wählen.
Der Bundesverband der GdP hatte die Berechnung der Strahlendosen an den Castoren kritisiert. Vor einigen Wochen ist eine Diskussion über die Strahlenwerte in Gorleben ausgebrochen: Laut Greenpeace wird die Strahlung aus dem Zwischenlager nach Einlagerung der weiteren Behälter in diesem Jahr den zulässigen Höchstwert übersteigen.
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