Kommunalversorger scheitern mit Kohlekraftwerk-Projekt
Stand: 17.07.2012
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Tübingen/Brunsbüttel - Der Traum vom eigenen Kohlekraftwerk droht für eine Vereinigung von Stadtwerken zu platzen: Die kleinen Kommunalversorger wollten mit dem Gemeinschaftsprojekt den großen Energiekonzernen Konkurrenz machen. Doch daraus wird nun höchstwahrscheinlich nichts.
Es war ein gigantisches Projekt: 90 Stadtwerke vor allem aus Baden-Württemberg wollten in Brunsbüttel an der Elbe das größte Steinkohlekraftwerk Deutschlands bauen. Doch nach zahlreichen Rückschlägen würden die meisten Kommunen diese Idee wohl gerne wieder vergessen machen. An diesem Donnerstag treffen sich die Beteiligten, um noch einmal über die Zukunft des drei Milliarden Euro teuren Kraftwerks zu reden. Vieles deutet darauf hin, dass sie die Pläne dann aufgeben werden - so sang- und klanglos wie möglich.
Ein Prestigeprojekt ohne Zukunft
Das Steinkohlekraftwerk war ein echtes Prestigeprojekt, als die Pläne vor vier Jahren konkret wurden. Plötzlich trauten sich kleine Stadtwerke, den großen Atomstromkonzernen Paroli zu bieten und mit vereinten Kräften ein eigenes Kraftwerk zu bauen. Unter dem Dach des Stadtwerkeverbunds Südweststrom wurde das Vorhaben vorangetrieben.
Doch die Idee stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Während Deutschland längst über erneuerbare Energien diskutierte, stießen die Pläne der Baden-Württemberger für ein Kohlekraftwerk in Schleswig-Holstein auf wenig Gegenliebe. Umweltschutzorganisationen liefen Sturm gegen die vermeintliche CO2-Schleuder, Tierschützer sorgten sich um Fische und Vögel in der Elbe.
Kohlekraftwerke sind unwirtschaftlich
Wenig später kamen wirtschaftliche Rückschläge hinzu: Erst beschloss die schwarz-gelbe Bundesregierung, die Laufzeit der Atomkraftwerke zu verlängern - nach der Atomkatastrophe von Fukushima kam dann die Wende zu erneuerbaren Energien. Beide Entscheidungen hatten eine gemeinsame Konsequenz: Kohlekraftwerke gerieten ökonomisch immer weiter ins Hintertreffen.
Die ersten 20 Stadtwerke zogen daraufhin schon die Reißleine und verabschiedeten sich aus dem Projekt. Anfang 2012 bekundete mit der Schweizer Repower auch ein Großgesellschafter, das Vorhaben nicht weiterzuverfolgen. Und schließlich kamen vor zwei Monaten mit dem Regierungswechsel in Schleswig-Holstein mit SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband drei Partner an die Macht, die das Kraftwerk ablehnen.
Beteiligte scheuen die Öffentlichkeit
Letztlich bleibe den Südwest-Stadtwerken jetzt gar keine andere Möglichkeit mehr, als die Pläne aufzugeben, sagen Insider. Bislang bekennen sich jedoch nur einige wenige öffentlich dazu, dass sie bei der Gesellschafterversammlung am Donnerstag für die Aufgabe stimmen wollen. In Tübingen etwa sagt Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne): "Wir sehen keine Möglichkeit mehr, das Projekt wirtschaftlich zu betreiben." Auch die Stadtwerke Aalen und Ettlingen ließen auf Anfrage durchblicken, dass sie das Vorhaben in Brunsbüttel beenden wollen.
Die meisten anderen großen Gesellschafter geben sich hingegen verschlossen und wollten im Vorfeld der Versammlung keine Fragen dazu beantworten. Palmer gilt einigen sogar als Nestbeschmutzer, weil er überhaupt die Aufmerksamkeit auf das entscheidende Treffen gelenkt hat. Man sei "sehr verärgert" über Palmer, sagt etwa Rainer Kübler, Aufsichtsratsvorsitzender der Kraftwerks-Gesellschaft.
Kritik der Kommunen befürchtet
Auch Südweststrom selbst macht im Moment ein Geheimnis aus dem Steinkohleprojekt. Welche Stadtwerke überhaupt noch beteiligt sind, verrät die Pressestelle nicht. Geheim sei auch die Sitzung der Gesellschafterversammlung am Donnerstag. Zunächst wollte Südweststrom nicht einmal bestätigen, dass diese überhaupt stattfindet. Und selbst wenn die Gesellschafter das Projekt stoppen, sei nicht sicher, ob man die Öffentlichkeit darüber informieren werde, sagte der Sprecher.
Ein Insider vermutet, dass die Beteiligten die Öffentlichkeit auch deshalb meiden, weil sie Kritik in ihren Kommunen fürchten. Denn die Kosten für die Planung des Kraftwerks müssen die Gesellschafter tragen - letztlich also Steuerzahler und Stromkunden. Wie hoch diese sind, sei noch nicht zu beziffern, sagte der Südweststrom-Sprecher.