Koalitionsstreit um Atommüll in der Sackgasse
Stand: 11.09.2009
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Berlin - Nach heftigen Auseinandersetzungen über angebliche Manipulationen bei der Erkundung des Salzstocks Gorleben als Atommüll-Endlager sucht die Bundesregierung nun doch noch nach einer gemeinsamen Bewertung. Eine Arbeitsgruppe mehrerer Ressorts soll klären, ob ein Gutachten im Jahr 1983 von der damaligen Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) geschönt wurde, um Gorleben zum Endlager zu machen. Das teilte die Bundesregierung am Donnerstag mit. In Regierungskreisen hieß es indessen, dass es um die Aufarbeitung der Geschichte gehe, damit aber die fundamentalen Koalitionsdifferenzen von SPD und Union über die künftige Endlagerung vom Abfällen aus Atommeilern bei weitem nicht überwunden seien. In einem zuvor bekanntgewordenen Briefwechsel hatten Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) den Ton in der Koalition erheblich verschärft.
Die angebliche politische Einflussnahme auf die Gorleben-Bewertung wird laut Gabriel auch in einem Fernschreiben von 1983 deutlich. Dadurch sei die Glaubwürdigkeit der weiteren Erkundung "zutiefst erschüttert. "Der Standort Gorleben hat damit faktisch keine Realisierungschancen mehr", heißt es in dem der Deutschen Presse- Agentur dpa vorliegenden Schreiben an de Maizière. "Die Menschen glauben ja dem Staat nicht mehr", so Gabriel im Bayerischen Rundfunk.
Altkanzler Kohl plädiert für eine "zügige Aufklärung" der Vorwürfe. Das teilte ein Sprecher Kohls der "Frankfurter Rundschau" (Freitag) mit. Der CDU-Politiker stehe deswegen auch "in engem Kontakt mit dem Kanzleramt", berichtete das Blatt vorab.
Für eine einheitliche Aufarbeitung der Geschehnisse Anfang der 80er Jahre veranlasste der Kanzleramtschef kurzfristig eine Schaltkonferenz mit den Ministern für Wirtschaft und Forschung, Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) und Annette Schavan (CDU), sowie Umweltstaatssekreätr Matthias Machnig (SPD). In der Arbeitsgruppe sollen ferner das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe mitwirken.
De Maizière hatte in seinem Schreiben dem Umweltminister vorgehalten, dieser habe den "Grundkonsens" ohne neue substanzielle Erkenntnisse verlassen. Er sollte deshalb auf die Erkundung von Gorleben zurückkommen. Der Kanzleramtschef weist den Vorwurf von Gabriel zurück, wonach die Regierung Kohl das damalige Gutachten geschönt habe. Anfängliche Unsicherheiten in der Wissenschaft über eine unterirdische Erkundung seien nach 1983 gewichen. So sei der Standort ja bis Oktober 2000 erkundet worden, bevor Rot-Grün einen Erkundungsstopp bis Oktober 2010 verhängt hätten. "Unbegründete Fälschungsvorwürfe und unbewiesene Vermutungen sind insoweit irreführend und unredlich."
Gabriel verwahrte sich insbesondere gegen diese Vorhaltung. "Richtig ist vielmehr, dass ausweislich der Ihnen übermittelten Akten die damalige Bundesregierung offenbar Druck auf die wissenschaftlichen Experten ausgeübt hat, um Gorleben-kritische Ausführungen auszublenden und Vorschläge für ein Verfahren zur Prüfung von Alternativen zu Gorleben zu unterdrücken. Unredlich handeln auch diejenigen, die diesen Prozess auch heute noch decken."