Koalition streitet über Energiepolitik: Wirbel um Atomsteuer
Stand: 18.08.2010
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Berlin - Die Auseinandersetzungen in der Koalition über das Energiekonzept und die Atomsteuer werden schärfer. Finanzminister Wolfgang Schäuble wies am Mittwoch Aussagen von Umweltminister Norbert Röttgen (beide CDU) zurück, die Entscheidung über die Belastung der Atomwirtschaft werde um mehrere Wochen verschoben.
Schäubles Sprecher Michael Offer machte deutlich, dass bis zur Kabinettssitzung am 1. September klar sein wird, ob es eine Brennelementesteuer oder eine Vertragslösung mit den Atomkonzernen gibt.
Nicht ausgeschlossen sei, dass Schäuble sich persönlich in die Gespräche mit den Stromriesen einschalte. "Die Brennelementesteuer liegt auf dem Tisch. Parallel dazu gibt es Verhandlungen über alternative Lösungen", sagte Offer.
Röttgen betonte dagegen, die Regierung werde sich "wegen der politischen Relevanz dieser Frage" erst am 28. September - zusammen mit dem Energiekonzept - auch mit der Atomsteuer abschließend befassen. "Das begrüße ich, das halte ich auch für vernünftig." Grundsätzlich gilt, dass ein Gesetz nach einem Kabinettsbeschluss meist mehrfach verändert wird, bis es endgültig in Kraft tritt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte zum Auftakt ihrer "Energie-Reise", Atomkraft werde als Brückentechnologie gebraucht. Die Windkraft sei im Aufwind: "Aber noch brauchen wir natürlich Brücken", sagte Merkel mit Blick auf Kernenergie, Kohle und Gas.
Aktuell hält die Regierung noch an der im Juni auf der schwarz- gelben Sparklausur verabredeten Atomsteuer fest, die ab 2011 jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen soll. Das Finanzministerium verschickte jetzt an die anderen Ressorts einen Gesetzentwurf für die "Kernbrennstoffsteuer", der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.
Sollte die Steuer kommen, rechnet das Finanzministerium nicht mit deutlich höheren Strompreisen. Die Kraftwerksbetreiber könnten ihre wegen der Steuer höheren Kosten nur in geringem Umfang auf die Preise umwälzen: "Für die Verbraucher sind daher allenfalls relativ geringe Erhöhungen des Endabnehmerpreises für Strom zu erwarten", heißt es im Gesetzentwurf.
Nach Angaben des Ministeriums müssen die 2,3 Milliarden Euro pro Jahr netto von der Branche erbracht werden: "Wir sind uns sicher, dass das Finanzvolumen erreicht wird." Die Konzerne könnten die Abgabe aber als Betriebsausgabe von der Steuer absetzen.
Die Atomkonzerne wollen die Steuer unbedingt verhindern. Sie fürchten, dass SPD und Grüne dieses Instrument nach einem Wahlsieg in drei Jahren nutzen könnten, um die Atombetreiber noch stärker zu schröpfen. Als Gegenleistung für den Steuer-Verzicht wollen die Konzerne die Hälfte der erwarteten Zusatzgewinne aus längeren Laufzeiten ihrer Atomkraftwerke abgeben.
Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International warnte die Bundesregierung, die Brennelementesteuer fallenzulassen. Schwarz-Gelb würde sich damit "ernsthaft dem Verdacht der Käuflichkeit aussetzen", sagte die Chefin der deutschen Transparency- Abteilung, Edda Müller, der "Berliner Zeitung".
Auch in den Koalitionsfraktionen wächst der Unmut, dass die Stromindustrie direkt mit dem Fiskus über ihre künftige Steuerbelastung verhandelt. Dies gefährde die Rechte des Parlaments, hieß es Fraktionskreisen.
Die Kraftwerksbetreiber Eon, RWE, EnBW und Vattenfall haben gedroht, ältere Reaktoren sofort vom Netz zu nehmen, falls Union und FDP die Atomsteuer beschließen. Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer kritisierte, die Konzerne tanzten der Regierung auf der Nase: "Nun diktieren E.ON, RWE und Co. der Bundesregierung den Fahrplan in der Gesetzgebung. Das ist ein Skandal!"
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