Klimawandel begünstigt Todeszonen in der Ostsee
Stand: 02.07.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd
London - Durch den fortschreitenden Klimawandel können sich sauerstoffarme und somit lebensfeindliche Gebiete - sogenannte Todeszonen - in der Ostsee weiter ausbreiten. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung in Warnemünde (IOW) gemeinsam mit dänischen und niederländischen Kollegen herausgefunden.
Sie hatten anhand von Sedimentbohrkernen und Simulationen untersucht, welchen Einfluss Klimaschwankungen in den letzten 1.000 Jahren auf die sauerstoffarmen Bereiche am Meeresboden der Ostsee hatten. Todeszonen habe es in der Vergangenheit nur in warmen Klimaperioden gegeben, in kühleren Perioden seien sie dagegen verschwunden, berichten die Forscher im Fachmagazin "Nature Climate Change" (doi:10.1038/NCLIMATE1595). Dieser Zusammenhang von Wassertemperatur und Todeszonen zeige sich auch dann, wenn das Wasser deutlich weniger stark überdüngt sei als heute. Das Risiko sei daher sehr hoch, dass das Tiefenwasser der Ostsee durch den Klimawandel in Zukunft noch sauerstoffärmer werde.
"Die bisherigen Maßnahmen, mit denen die Wasserqualität der Ostsee verbessert werden soll, sind vermutlich nicht ausreichend, um die weitere Ausbreitung sauerstoffarmer Zonen zu verhindern", schreiben Karoline Kabel vom IOW und ihre Kollegen. Wenn man dem Effekt steigender Wassertemperaturen entgegenwirken wolle, müsse man in Zukunft die Nährstoffbelastung des Wassers noch weiter reduzieren als bisher. Das könnte die Gefahr von wärmeliebenden Algenblüten minimieren, deren absinkende Reste dazu führen, dass im Tiefenwasser Sauerstoff aufgezehrt wird.
Die Ostsee ist nur über wenige Meerengen mit der Nordsee verbunden. Deshalb wird ihr Wasser nur selten durchmischt. Stattdessen bilden sich meist deutlich voneinander getrennte Schichten: Leichtes Süßwasser aus zahlreichen Flüssen bleibt an der Oberfläche, in größeren Tiefen sammelt sich dagegen das schwerere Salzwasser. Sauerstoff kann nur sehr schwer vom gut durchmischten Oberflächenwasser in diese tiefen Wasserschichten gelangen. In der Ostsee können dadurch besonders leicht sauerstoffarme oder sogar sauerstofffreie Bereiche - die sogenannten Todeszonen - am Meeresboden entstehen. In diesen Bereichen können nur wenige Organismen überleben, da ihnen der Sauerstoff zum Atmen fehlt.
Überdüngung allein ist nicht die Ursache
Bisher galt vor allem ein Überangebot von Nährstoffen im Wasser als Ursache der lebensfeindlichen Zonen. Denn die Überdüngung fördert Algenblüten, deren abgestorbene Reste in den tiefen Wasserschichten zersetzt werden. Dieser Abbauprozess verbraucht Sauerstoff und führt zu sauerstoffarmen Bereichen am Meeresboden. Doch die Überdüngung allein kann das Ausmaß der Todeszonen nicht erklären, wie eine Simulation der Forscher zeigte. Die sauerstoffarmen Bereiche wuchsen bei nährstoffreichem, aber kühlem Wasser nur wenig.
"Unsere Ergebnisse zeigen nun, dass auch steigende Temperaturen des Oberflächenwassers die Ausbreitung solcher Todeszonen fördern", schreiben Kabel und ihre Kollegen. Offenbar begünstige ein warmes Klima Massenvermehrungen von Blaualgen, auch als Cyanobakteriern bezeichnet. "Wir wissen, dass sich Cyanobakterien in der Ostsee erst bei einer Temperatur höher als 16 Grad Celsius und ruhigen Windbedingungen massenhaft vermehren", sagt Kabel. Diese Bedingungen könnten in Zukunft durch die Klimaerwärmung deutlich häufiger erreicht werden als bisher.
Sedimentkerne verraten Temperaturen und Sauerstoffwerte
Für ihre Studie hatten die Forscher Sedimentkerne unter anderem aus dem Gotlandbecken, einem besonders tiefen Bereich der Ostsee, geborgen und untersucht. Sie rekonstruierten daraus die sommerlichen Temperaturen des Ostseewassers in den letzten 1.000 Jahren. An der Zusammensetzung der Sedimente konnten sie zudem ablesen, wann es sauerstoffarme Bereiche in der Tiefe gab.
Das Ergebnis: Während der Kleinen Eiszeit zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert lag die Wassertemperatur bei rund 15 Grad Celsius. Die Sedimente aus dieser Zeit zeigen keine Anzeichen für einen Sauerstoffmangel, wie die Forscher berichten. In der mittelalterlichen Warmzeit von 950 bis 1250 sei das Wasser aber ein bis zwei Grad wärmer gewesen und man habe deutliche Hinweise auf sauerstoffarme Bedingungen am Meeresboden gefunden.
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