Kartellamt greift durch: TEAG muss Netzentgelte senken [Update]
Stand: 19.02.2003
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Bonn (dpa/lnw) - Das Bundeskartellamt hat im Streit mit Stromnetzbetreibern erstmals überteuerte Durchleitungsgebühren für neue Konkurrenten untersagt und damit ein Signal gesetzt. Nach der Entscheidung der Wettbewerbsbehörde vom Mittwoch in Bonn muss der zum E.ON-Konzern gehörenden Thüringer Energie AG (TEAG) seine Forderung für Netznutzungsentgelte um etwa 10 Prozent senken. Thüringens größter Stromversorger wies die Vorwürfe des Wettbewerbsmissbrauchs zurück und kündigte Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf an.
Bei den beanstandeten Entgelten geht es um den Preis, den andere Stromanbieter und -händler für die Nutzung des TEAG-Netzes in Thüringen und Sachsen entrichten müssen.
Von der Entscheidung erwarte das Amt "eine wichtige Signalwirkung", sagte Kartellamtspräsident Ulf Böge. Ziel aller Verfahren sei "eine substanzielle Senkung der Netznutzungsentgelte, die wegen ihrer Höhe derzeit das Haupthindernis für wirksamen Wettbewerb auf den Strommärkten darstellen."
Das Thüringer Wirtschaftsministerium begrüßte die Entscheidung. "Es ist ein Standortnachteil, dass die Durchleitungsgebühren in einigen Regionen Ostdeutschland 40 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegen", sagte der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, Andreas Maruschke. Das Wirtschaftsministerium ermittle bei den 27 Netzbetreibern bereits länger wegen des Verdachts missbräuchlicher Netznutzungsentgelte. "Wir brauchen mehr Wettbewerb zum Vorteil von Haushalts- und Gewerbekunden", erklärte Maruschke.
"Die TEAG weist den Vorwurf des Wettbewerbsmissbrauchs zurück", sagte TEAG-Vorstandsvorsitzender Bernhard Bloemer. Grundlage der Beschwerde sei ein Kalkulations-Leitfaden, der zwischen den Verbänden der Stromversorger und Verbrauchern von 2002 ausgehandelt worden sei. Die Entscheidung des Kartellamts sei unverständlich. Die Behörde hatte das Unternehmen zuvor abgemahnt.
"Die von Bundeskartellamt angestrebte dauerhafte Festlegung von Erlösobergrenzen überschreitet die Befügnis der Behörde und ist ein unzulässiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit", sagte Bloemer. Die Beschneidung von Nutzungsentgelten würde erhebliche Auswirkungen auf die Investitionen der Energiebranche haben. Bloemer sprach von einem Schritt zurück in die DDR-Energiewirtschaft, wenn sich Investitionen nicht mehr lohnen würden.
Der Hamburger Stromanbieter Lichtblick begrüsste als betroffenes Unternehmen die Entscheidung als "Meilenstein im Liberalisierungsprozess". Jetzt müssten die Entgelte flächendeckend sinken. Für den liberalisierten Strommarkt habe die Untersagung grundlegende Bedeutung. Denn mit der Entscheidung gehöre auch der diskriminierende Kalkulationsleitfaden der Verbändevereinbarung der Vergangenheit an. Damit sei zugleich die von der Bundesregierung vorangetriebene Verrechtlichung der Vereinbarung gescheitert.
Praktisch alle 900 Stromnetzbetreiber in Deutschland hätten ihre Entgelte auf Basis dieses Leitfadens berechnet, erläuterte Lichtblick. Systematisch überhöhte Durchleitungsgebühren seien das wesentliche Hindernis auf dem Weg zu einem aktiven Wettbewerb im Strommarkt.
"Damit ist der Kunde der Gewinner, denn die Kartellamtsentscheidung zahlt sich für den Verbraucher in barer Münze aus", sagte Yello-Sprecher Andreas Müller. Wenn dieser Kurs des Bundeskartellamtes fortgesetzt werde, habe der Wettbewerb im deutschen Energiemarkt doch noch eine Chance. Müller forderte eine bessere Ausstattung der jetzigen Wettbewerbsaufsicht oder eine Regulierungsbehörde, um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen.
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