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Kälte aus Flüssen und Kraftwerken für Hotels und Hochhäuser

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Berlin/Paris - Im Hochsommer laufen die Klimaanlagen in Europas Büros auf Hochtouren - und verbrauchen teuren Strom in rauen Mengen. Dabei gibt es eine Alternative, die nach Einschätzung von Fachleuten 25 Prozent des Energieaufwandes und damit viel Geld und CO2 einsparen kann: Die Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung.

Die Anlagen verarbeiten die Abwärme von Kraftwerken in riesigen Klimazentralen zur Kälteerzeugung. Auf wenige Grad heruntergekühltes Wasser läuft über unterirdische Rohrsysteme und kühlt die Gebäude. Klimakästen auf den Dächern von Hochhäusern und Hotels sind dann Vergangenheit. Die Technik setzt sich zunehmend durch.

Fernkältenetze in Europas Großstädten

Europaweit laufen schon in vielen Großstädten wie Barcelona, Amsterdam, Stockholm und Wien Fernkältenetze. In Paris versorgt ein solches System seit Anfang der 90er Jahre große Teile der Innenstadt. Das nötige Wasser liefert die Seine. Die Climespace, Tochter des Energieunternehmens GDF Suez und des Pariser Fernwärmeversorgers CPCU, reduziert die Temperatur des Flusswassers über Wärmetauscher auf ein bis fünf Grad. Die kühlende Flüssigkeit wird anschließend durch ein rund 70 Kilometer weit verzweigtes Rohrnetz in der Kanalisation geleitet und unterwegs durch Eisspeicher gekühlt.

Climespace-Generaldirektorin Laurence Poirier-Dietz nennt das System einen "Riesenkühlschrank unter Paris". Die gewünschte Kühle geht an erste Adressen der Stadt: Das Musée du Louvre gehört ebenso dazu wie die Nationalversammlung. Unter den mehr als 500 Kunden und Objekten listet die Climespace zudem die Banque de France, die Modehäuser Hermès und Chanel oder die Galeries Lafayette auf. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen mit der Kälte aus der Seine 76,5 Millionen Euro umgesetzt.

Fernkälte ist besonders für Großverbraucher geeignet

Auch in Deutschland hat die Technik das Versuchs- und Ökofreakstadium lange hinter sich: Fernnetze mit 6 bis 7 Grad kaltem Wasser kühlen große Hörsäle und den Zentralrechner der RWTH Aachen genauso wie die Zentrale der Deutschen Bahn und den Bundesrat in Berlin, Gebäude am Frankfurter Flughafen und Einkaufszentren in Chemnitz.

Das Grundprinzip funktioniert wie bei den bekannten Fernwärmenetzen: Die Abwärme von Kraftwerken wird nicht durch den Schornstein geblasen, sondern aufgefangen. Im Winter wird mit der Wärme Wasser erhitzt, das Wohnungen heizt, jetzt im Sommer treibt die Wärme riesige Absorptionskältemaschinen an. Diese kühlen Wasser wie in einem Kühlschrank - nur dass der Prozess nicht mit Strom und einem Kompressor, sondern mit der Wärmeenergie angetrieben wird.

Für das Kühlwasser muss ein eigenes unterirdisches Rohrsystem angelegt werden - man kann nicht die Fernwärmerohre nutzen, die in der Sommerhitze mangels Heizbedarf meist wenig genutzt werden. Und die Fernkälterohre müssen sehr gut isoliert werden, damit sich auf der Außenseite kein Kondenswasser bildet. Fernkälte ist deshalb vor allem für Großverbraucher wie Großstädte und Industrieanlagen geeignet und erfordert erhebliche Investitionen.

90 Kilometer langes Fernkältenetz in Deutschland

In Deutschlands größtem Fernkältenetz in Berlin rund um den Potsdamer Platz hat der Energiekonzern Vattenfall seit Mitte der 90er Jahre bereits rund 70 Millionen Euro für eine Kältezentrale und das Rohrleitungsnetz verbaut. Dort werden inzwischen rund 10.000 Büros und 1000 Wohnung über ein insgesamt etwa zwölf Kilometer langes Netz mit kühlem Klima versorgt. "Das kalte Herz der Hauptstadt", schwärmte der "Berliner Kurier".

Die Kälteleistung des Systems von gut 40 Megawatt entspricht etwa 300.000 modernen Haushaltskühlschränken. In acht Kühltürmen der Kältezentrale rieselt das Wasser dort herunter wie in einem Wasserfall. Auf 1400 Tonnen beziffert Vattenfall die jährliche CO2-Einsparung im Vergleich zur Versorgung mit dezentralen Klimaanlagen.

Bundesweit ist das Fernkältenetz bereits auf 90 Kilometer gewachsen. Ende 2011 waren 160 Megawatt Kühlleistung angeschlossen. Fachleute sehen erhebliches Wachstumspotenzial. Mehr als ein Viertel des gesamten technischen Kältebedarfs in Deutschland falle schon jetzt für Klimatisierung an, teilte der Fachverband AGFW unter Hinweis auf eine aktuelle Untersuchung mit. Hier sei mit starkem Wachstum zu rechnen, weil Hochhäuser zunehmend mit verglasten Fassaden errichtet würden, weil die Inneneinrichtungen der Büros technisch aufwendiger und damit energieintensiver würden und die Laden-Öffnungszeiten sich stetig verlängerten.