Investitionsstau bei Stromspeichern
Stand: 12.08.2015
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Erfurt - Pumpspeicherkraftwerke eignen sich hervorragen als Stromspeicher. Doch derzeit rechnen sich die geplanten Großprojekte nicht.
Wenn Solaranlagen und Windräder in Deutschland kräftig produzieren, springen im südthüringischen Goldisthal die Pumpen an. Der Ökostrom-Überschuss, den Sonne und Wind liefern, geht baden: Im Thüringer Wald steht Deutschland größtes Pumpspeicherkraftwerk - mit 1060 Megawatt von der Leistung mit einem Kernkraftwerk vergleichbar. Etwa 30 dieser Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von zusammen etwa 7000 Megawatt, die als Stromspeicher dienen, gibt es bundesweit.
Doch das Geschäftsmodell droht zu kippen - trotz des enormen Bedarfs an Stromspeicherkapazität, warnen Branchenvertreter. Jahrelang waren die Anlagen, deren Bau wegen der massiven Eingriffe in Natur und Landschaft heftig umstritten ist, ein gutes Geschäft. Mit billigem Nachtstrom wurde das Wasser nach oben in ein großes Becken gepumpt. Am Tag rauschte das Wasser wieder nach unten, trieb Turbinen an und erzeugte Strom. Die Preisdifferenz zwischen Tag- und Nachtstrom warf ordentliche Erträge ab.
Das ist heute nicht mehr so, mit dem klassischen Geschäft sei kaum noch Geld zu verdienen, sagen Betreiber. Der Markt und das Preisgefüge haben sich mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien verändert. Am Tag, wenn viel Energie benötigt wird, gibt es auch viel Energie: Bei schönem Wetter laufen Windräder und Solaranlagen auf Hochtouren. Manchmal so stark, dass dem Netz die Überlastung droht. Auch dann springen die Speicherwerke ein.
"Die stabilisierende Funktion der Anlagen im Stromnetz bis hin zu Blackout-Schutz bei Stromausfall wird nicht honoriert", sagt der Chef der Wasserkraftsparte des Energiekonzerns Vattenfall, Peter Apel. Vattenfall gehört mit acht Pumpspeichern auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zu den Großen der Branche. Die Wasserkraftwerke würden zudem behandelt wie Endverbraucher, nicht wie Speicher, kritisiert Apel. "Die Befreiung von den Netzentgelten würde helfen."
Eine Meinung, die der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) teilt. "Wir hoffen auf bessere Rahmenbedingungen", sagt ein Verbandvertreter in Berlin. Dabei gehe es nicht allein um die Netzentgelte. Doch nach der Vorlagen des neuen Energiemarktkonzepts der Bundesregierung vor einigen Wochen gab es lange Gesichter. "Es ist enttäuschend, dass das Wort Speicher kaum erwähnt wird", beklagt eine Branchenvertreterin.
Eigentlich ist die Liste milliardenschwerer Projekte für Neubau- und Erweiterungsprojekte in bergigen Regionen Deutschland lang. Nun seien es aber "Projekte in Warteposition", heißt es beim BDEW. "Niemand trifft jetzt endgültige Investitionsentscheidungen."
Die wohl größten Vorhaben mit einer Leistung von jeweils mehr als 1000 Megawatt gibt es in Atdorf im Südschwarzwald und bei Tambach-Dietharz im Thüringer Wald. Allein das Stadtwerke-Konsortium Trianel (Aachen) will 1,4 Milliarden Euro in ein Pumpspeicherwerk an der nicht mehr gebrauchten Trinkwassertalsperre Schmalwasser im Thüringer Wald stecken. "Wir halten an dem Projekt fest und warten ab, was in Berlin passiert", sagt Nicole Kolster von Trianel.
Andere haben ihre Projekte von der Schublade, wo sie lange lagen, in den Papierkorb entsorgt. Der Baukonzern Hochtief zog einen Schlussstrich unter den Bau eines Pumpspeicherwerks im thüringischen Kyffhäuserkreis. Aktuell könnten sie in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Das Energiemarktprogramm der Bundesregierung lasse keine Perspektive erkennen, "die dies wesentlich ändern könnte". Hochtief wolle sich bei Investitionen in Pumpspeicherwerke zurückhalten. Das gelte auch für Vorhaben in Freden in Südniedersachsen und in Ostwestfalen-Lippe in Nordrhein-Westfalen.
Thüringen als Land mit einer bereits großen Stromspeicherkapazität will sich für die Anlagen einsetzen. Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) verlangt Nachbesserungen vom Bund und "verlässliche Bedingungen für bewährte und neue Energiespeicher". Netzentgelte für die Speicher seien zumindest zu überdenken. Offen ist, wie viele Verbündete sie dafür in anderen Bundesländern findet.