Düsseldorf - Einem Pressebericht zufolge steht der schwedische Energiekonzern Vattenfall kurz vor dem Verkauf seines Stromnetzes in Deutschland an ein Konsortium aus Goldman Sachs und Töchtern von Allianz und Deutscher Bank. Der Aufsichtsrat der für Deutschland zuständigen Tochtergesellschaft Vattenfall Europe werde am (heutigen) Montag über die Transaktion entscheiden, berichtete das "Handelsblatt" (Montag) unter Berufung auf Unternehmenskreise. Es wäre das erste Mal, dass Finanzinvestoren einen Teil des überregionalen Stromnetzes übernehmen.
"Die Entscheidung ist gefallen", zitiert die Zeitung Kreise. Das Konsortium werde Vattenfalls Übertragungsnetz im Nordosten übernehmen. Es ist mit rund 9.700 Kilometern Länge das drittgrößte in Deutschland. Ein Sprecher wollte dies gegenüber dem Blatt nicht kommentieren. Er erklärte lediglich, dass der Verkauf noch in diesem Jahr abgeschlossen werden soll. Der Kaufpreis werde in Branchenkreisen auf rund 500 Millionen Euro taxiert, schrieb das Blatt. Das wäre deutlich weniger als zunächst erwartet. Zu Beginn des Prozesses vor einem Jahr hatte Vattenfall noch ein Dutzend Interessenten angelockt. Damals war über eine Summe von einer Milliarde Euro spekuliert worden. Die Finanzkrise bremste den Prozess aber.
Auch Vattenfall-Konkurrent E.ON will sein Übertragungsnetz loswerden. In den kommenden Wochen wird mit einem Abschluss der Verhandlungen gerechnet. Laut "Handelsblatt" war am E.ON-Netz, dem mit 10.700 Kilometern zweitlängsten nach dem von RWE, ebenfalls das Konsortium aus Allianz, Deutscher Bank und Goldman Sachs interessiert. Damit hätte eine von der Bundesregierung favorisierte Netz AG, in der das gesamt deutsche Hochspannungsnetz von den Stromproduzenten getrennt gebündelt wird, Formen angenommen. Laut Zeitung gilt aber inzwischen der niederländische Netzbetreiber Tennet als Favorit. Lange Zeit galt der Verkauf des Stromnetzes als Tabuthema in der Branche. Die deutschen Stromkonzerne wollten die komplette Kette von der Stromproduktion über den Transport bis zum Vertrieb kontrollieren. In den vergangenen Jahren drängte aber vor allem die EU-Kommission auf eine Entflechtung, um Konkurrenten einen fairen Zugang zum Netz zu gewährleisten. E.ON verpflichtete sich im Rahmen eines Kartellverfahrens zum Verkauf des Netzes. Vattenfall entschied sich freiwillig dazu. Dagegen wollen die beiden anderen großen Netzbetreiber, RWE und EnBW ihre Leitungen behalten.
Für E.ON und Vattenfall gilt der Netzbetrieb als besonders schwierig. Ihre Gebiete liegen an der Küste. Sie müssten wegen des geplanten Ausbaus der Windkraft auf hoher See in den kommenden Jahren Milliarden in den Ausbau des Netzes und den Anschluss der Parks investieren. In der Stromproduktion könnten sie mit diesem Geld höhere Renditen erzielen. Für die Finanzinvestoren ist das Kalkül laut "Handelsblatt" ein anderes: Sie investieren in ein Geschäft, dass ihnen wegen der Regulierung durch die Bundesnetzagentur langfristig kalkulierbare Renditen im höheren einstelligen Bereich verspricht.