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Hamburger stimmen über Rückkauf ihrer Energienetze ab

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Hamburg - Der Volksentscheid über den Rückkauf der Netze für Strom, Gas und Fernwärme erhitzt im Norden die Gemüter mehr als die Bundestagswahl. Rund 1,3 Millionen Hamburger, darunter erstmals auch fast 27.000 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren, stimmen am 22. September über die Zukunft ihrer Energienetze ab. Bei einem Erfolg der Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" müssten Senat und Bürgerschaft "fristgerecht alle notwendigen und zulässigen Schritte unternehmen, um die Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze 2015 wieder vollständig in die Öffentliche Hand zu übernehmen".

Das Thema entzweit die Hansestadt. Auf der einen Seite stehen Umweltverbände, die Verbraucherzentrale, Teile der evangelischen Kirche, Grüne und Linke, die Gewerkschaft GEW und diverse Unterstützergruppen. Auf der anderen Seite der Senat, Wirtschaftsverbände und Kammern, SPD, CDU und FDP und die Gewerkschaft BCE. Befürworter und Gegner haben in den Wochen vor der Entscheidung ihre Truppen mobilisiert, Gutachten und Gegengutachten geschrieben, Plakate geklebt und in dutzenden Info-Veranstaltungen und Diskussionsrunden ihre Positionen dargelegt.

"Ja zu 100 Prozent - weil es sich lohnt" heißt der Slogan der Initiative. Sie will die Netze in kommunaler Hand wissen, um die dezentrale Energieversorgung zu erleichtern und erneuerbare Energien zu stärken. Zudem würden so die Gewinne aus den Netzen in den Kassen der Stadt bleiben und nicht an den schwedischen Staatskonzern Vattenfall und an Eon fließen. "Zwei Milliarden Euro Schulden für Netzkauf? Nicht mit meinem Geld!" kontern die Gegner. Sie stellen vor allem die zusätzliche öffentliche Verschuldung in den Vordergrund, die Haushalts- und Investitionsrisiken und den mangelnden Nutzen, der diesen Risiken gegenüberstünde.

Gegenwärtig hat sich Hamburg für rund 544 Millionen Euro mit 25,1 Prozent an den Netzen beteiligt. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vereinbarte mit Vattenfall und Eon weitgehende Investitionen in die ökologische Modernisierung der Hamburger Energieversorgung. "Alles, was ich mit den Netzen erreichen will - hohe Investitionen, damit es stabil ist und damit es für die Erfordernisse der Energiewende modernisiert wird - all das erreiche ich mit den 25,1 Prozent und den Verträgen, die wir geschlossen haben", sagt Scholz. Gehe dagegen der Netzkauf auf Pump wirtschaftlich schief, werde es sehr teuer. Eine Gewinngarantie ist mit den Netzen nicht verbunden.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht in dem Volksentscheid ein Indiz für einen Trend. Rund 200 Konzessionen seien seit 2007 von Kommunen übernommen worden. Ein Blick in die Liste dieser Konzessionswechsel zeigt allerdings, dass es sich zumeist um kleine und kleinste Netze handelt. Letztlich geht es um die Frage, welche Leistungen für die Bürger Privatunternehmen erbringen können und wo staatliche Träger vorzuziehen sind. "In der Einschätzung dieser Frage hat sich der Wind in den vergangenen Jahren gedreht", sagt der Ökonom Jens Libbe vom Deutschen Institut für Urbanistik. So auch in Hamburg. Die Privatisierung der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) in mehreren Schritten rund um das Jahr 2000 wird von den meisten Landespolitikern heute als Fehler betrachtet.

Der Erfolg der Initiative ist ungewiss. Wegen der Besonderheiten der Hamburger Volksgesetzgebung muss nicht nur eine Mehrheit der Hamburger für die Übernahme der Netze stimmen, sondern es müssen auch rund 420 000 Ja-Stimmen zusammenkommen. Das ist eine hohe Hürde. Sollte sie genommen werden, so bindet das Ergebnis Bürgerschaft und Senat - nicht aber Vattenfall und Eon. Sie wollen die Mehrheit an ihren Netzen behalten und können nicht zum Verkauf gezwungen werden.

Hamburg bliebe der Weg über die Konzession zum Betrieb der Netze. Die Stadt müsste eine eigene Netzgesellschaft gründen, die sich um die Konzession bewirbt. Könnte die sich gegen die Platzhirsche durchsetzen, hätte sie ein Kaufrecht auch gegen den Willen von Eon und Vattenfall. Die Konzession wird von der Stadt vergeben, aber unter Aufsicht des Bundeskartellamtes und der Bundesnetzagentur. Und dabei darf die Stadt nicht die eigene Netzgesellschaft unfair bevorzugen - sonst drohen Klagen.