Großprojekt "Atomausstieg" bleibt riesige Baustelle
Stand: 08.09.2014
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Berlin - Das Großprojekt "Atomausstieg" gleicht einer riesigen Baustelle: Die Atomkonzerne blockieren die Finanzierung von Endlagerprojekten, der hochradioaktive Brennstoff kommt nicht aus den AKW heraus und auch der Rückbau könnte sich massiv verzögern.
Grünen-Chefin Simone Peter wirft der Bundesregierung eine sträfliche Vernachlässigung vor: "Weder übt sie genügend Druck auf die AKW-Betreiber aus, die den Rückbau verzögern, noch gibt es umfassende Klarheit bezüglich der Zwischen- und Endlagerung."
Von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hört man wenig hierzu. Am Montag will sie der 33-köpfigen Kommission, die die neue Endlagersuche vorbereitet, ins Gewissen reden. Sie will, dass bis 2031 ein Ort gefunden ist. Aber Fachleute glauben kaum noch daran. Immer häufiger wird von Langzeitzwischenlagern oder Betonbunkern als Lösung für den hochradioaktiven Müll gesprochen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich bisher öffentlich raus. Vielleicht ist ja die Idee einer Überführung der letzten AKW in die öffentliche Hand gar nicht so abwegig, wenn Kostenfragen geklärt sind und die Konzerne die Milliardenklagen fallen lassen.
Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz haben beantragt, erstmal die Rückstellungen der AKW-Betreiber von 35,8 Milliarden Euro zu sichern. Zudem wird die Regierung gebeten, "unabhängige Kostenstudien in Auftrag zu geben, die die zu erwartenden Stilllegungs-, Abbau- und Entsorgungskosten transparent und differenziert nach einzelnen Kostenarten darlegen und dabei auf das Risiko von Kostensteigerungen eingehen". Ein Vorbild könne der Schweizer Stilllegungs- und Entsorgungsfonds sein, heißt es.
Überblick über die Baustellen
1. Auch wenn seit Freitag ein notwendiger neuer Castor-Typ für die Entfernung der Brennelemente aus Siedewasserreaktoren genehmigt worden ist, dürfte das Ziel, den hochradioaktiven Kernbrennstoff bis 2016/2017 aus den acht 2011 stillegelegten Meilern raus zu haben, kaum noch zu halten sein. Die Grünen warnen vor unnötigen Risiken für Anwohner und Personal.
2. Das Konrad-Problem. "Unser großes Sorgenkind ist die unklare Situation bei Schacht Konrad", sagt der Geschäftsführer der für den Rückbau zuständigen Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), Hannes Wimmer. Das frühere Erzbergwerk in Salzgitter soll das Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll werden.
Doch zuletzt wurde das Startdatum 2019 kassiert, ein neues gibt es nicht. Das Lager ist für 303 000 Kubikmeter genehmigt. Ohne Schacht Konrad gehe kein Rückbau, betonen die Betreiber. In Konrad sollen 95 Prozent der radioaktiven Abfälle eingelagert werden - bis hin zum orangenen Strahlenschutzanzug. Sie machen nur ein Prozent der Radioaktivität aus - die restlichen fünf Prozent sind hoch radioaktiver Müll, er macht 99 Prozent der Radioaktivität aus.
3. Wohin damit? Bisher war der Salzstock Gorleben Favorit, nun soll bundesweit gesucht werden. Aber schon in der vorgeschalteten Kommission werden alte Gräben sichtbar. Auch wer die Kosten von zwei Milliarden Euro übernehmen soll, ist unklar. Denn die Betreiber haben schon 1,6 Milliarden in Gorleben investiert. Vor einer Einlagerung muss der Müll neu verpackt werden, statt in Castor-, soll er in Pollux-Behälter. Diese sind aber nur auf eine Einlagerung in Salz ausgerichtet. Entscheidet man sich für ein Ton-Endlager, braucht man wohl andere Behälter. Die vollständige Einlagerung könnte bis 2100 dauern, heißt es in der Branche.
Unterm Strich: Eine schwierige Situation. Es passt ins Bild, dass RWE, Eon, EnBW und Vattenfall Kostenbescheide für 2013 und 2014 über 230 Millionen Euro für die Endlagerprojekte Gorleben und Schacht Konrad erst einmal nicht begleichen wollen. Nach jetziger Rechtslage sind Zwischenlager und Castor-Behälter für 40 Jahre genehmigt. Kann man die Genehmigungen ohne Risiko verlängern? Merkels Atom-Wende wurde ohne Konsens mit den Konzernen vollzogen. Vielleicht muss man sich bald doch mal an einen Tisch setzen.