Berlin (AFP) - Die große Koalition hat sich auf ein Szenario für das Ende des Steinkohleförderung in Deutschland geeinigt. Bis 2018 sollten die milliardenschweren Subventionen für die Steinkohle auslaufen, beschlossen die Spitzen von Union und SPD in der Nacht zum Dienstag. Jeder Bergmann solle abgesichert werden. Im Jahr 2012 wird der Bundestag aber prüfen, ob nicht wegen höheren Kohlepreisen auf dem Weltmarkt oder Lieferengpässen bei anderen Rohstoffen weiter Kohle in Deutschland gefördert werden soll. Die SPD-Chefs der Bergbau-Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland, Hannelore Kraft und Heiko Maas, sagten, der Ausstiegsbeschluss werde 2012 voraussichtlich wieder gekippt.
Mit dem "Auslaufszenario" bis zum Jahr 2018 sei sichergestellt, dass es keine betriebsbedingten
Kündigungen geben werde und die Bergleute in jedem Fall abgesichert seien, sagte SPD-Chef Kurt Beck nach dem Ende der Sitzung. Auf der anderen Seite sei auch sichergestellt, dass der RAG-Konzern an die
Börse gehen könne. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte, er freue sich über die erzielte Grundsatzeinigung. Die Spitzen der großen Koalition hatten in der Nacht zum Mittwoch gut dreieinhalb Stunden beraten. Sie folgten dabei einen Kompromiss, der am Sonntag unter Leitung von Glos gefunden worden war.
Dem Beschluss zufolge wird im Jahr 2012 geprüft, ob der Steinkohle-Bergbau "unter Beachtung der Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit, der Sicherung der Energieversorgung und der übrigen energiepolitischen Ziele weiter gefördert wird". Bis zum 30. Juni 2012 muss dem Bundestag sowie den Landtagen des Saarlandes und von Nordrhein-Westfalen ein entsprechender Bericht übergeben werden. Der RAG-Konzern und die Gewerkschaft Bergbau, Chemie,
Energie (BCE) stimmten der Einigung zu. Am Mittwochabend sollten weitere Details festgelegt werden.
Geklärt werden muss unter anderem noch, wie die Sozialverträglichkeit des Ausstiegs genau gewährleistet wird. Offen ist auch noch, wie genau der Ausstieg bezahlt werden soll. Geplant ist bisher, dass das Kapital, das durch den in diesem Jahr geplanten Börsengang der nicht mit dem Bergbau befassten Teile des RAG-Konzerns erlöste werden soll, in eine Stiftung fließt. Daraus sollen die Folgekosten des Ausstiegs bezahlt werden. Zu diesen Kosten gehören etwa Renten für Bergleute oder Umweltschutzmaßnahmen. Zudem ist unklar, wie der Ausstieg bis 2018 konkret ausgestaltet werden soll, etwa wann welche Zechen schließen.
Die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft sagte im WDR, 2012 gebe es nun eine "echte Option" für eine Fortsetzung des Steinkohle-Bergbaus. Sollte der Weltmarktpreis der Kohle weiter steigen wie bisher und es zu Lieferengpässen bei Kohle und
Gas kommen, sei eine Zukunft der Steinkohle vorstellbar. Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas sagte im SWR, bis zum Jahr 2012 werde sich aber die Lage vermutlich "noch einmal verändern". Der aktuelle Beschluss sei notwendig gewesen, damit "insbesondere die Beihilfen geregelt werden und auch der Börsengang der RAG gesichert" sei, sagte Maas.
IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt erklärte, seine Gewerkschaft halte den Ausstiegsbeschluss "energiepolitisch für falsch". Allerdings gebe es für den Erhalt eines Sockelbergbaus nach 2018 zurzeit keine Parlamentsmehrheiten. Deshalb trage die IG BCE den Beschluss mit. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hält den Ausstieg dagegen für kaum noch umkehrbar. "Wir werden jetzt eine Unternehmensplanung bekommen, die darauf ausgerichtet ist, dass es den Ausstieg gibt", sagte Rüttgers im WDR.