Goldisthal (dpa/th) - Wenn Millionen Deutsche morgens das Licht
anknipsen, Kaffee kochen und das Radio einschalten, schlägt die
Stunde von Goldisthal: Das grösste Pumpspeicherkraftwerk Deutschlands
im Kreis Sonneberg liefert per Knopfdruck 1060 Megawatt Strom. "Damit
können 500.000 Waschmaschinen acht Stunden lang laufen", sagt
Kraftwerkschef Thomas Beyer. Das zum Vattenfall-Konzern gehörende 600
Millionen Euro teure Kraftwerk soll gerade Verbrauchsschwankungen
abfedern, wozu Braunkohlekraftwerke nur schwer in der Lage sind. Ende
September wird das Pumpspeicherkraftwerk von Bundeskanzler Gerhard
Schröder (SPD) eröffnet.
"Mit einem Investitionsvolumen von nahezu zehn Milliarden Euro
haben
Vattenfall Europe und die Vorgänger VEAG und LAUBAG die
Energielandschaft Ostdeutschlands grundlegend neu gestaltet und
modernisiert", sagt Vorstand Kurt Häge. Goldisthal leiste auch einen
Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung. "Nicht erst seit den
dramatischen Stromausfällen in den USA in diesem Sommer ist für uns
klar, dass ein hoch entwickelter Standort wie Deutschland auch eine
stabile und gut ausgebaute Stromerzeugungsstruktur braucht."
"Der
Wirkungsgrad von Goldisthal liegt bei mehr als 80 Prozent.
Das ist weltweit spitze", sagt Projektleiter Wolfgang Bogenrieder.
Bisher lag die Top-Leistung rund fünf Prozent niedriger. Wenn die
Schichtmeister in der Schaltwarte das Kommando geben, ertönt 250
Meter unterhalb der Erdoberfläche gellendes Pfeifen, ohrenbetäubendes
Donnergrollen. Der Boden vibriert. 100 Kubikmeter Wasser schiessen pro
Sekunde durch den so genannten Kugelschieber und treiben die Turbine
an. In 820 Meter langen Stollen strömt das Wasser vom Oberbecken der
Stauanlage in die Maschinenkaverne. Dann liefert Goldisthal rund acht
Stunden lang so viel
Energie wie ein mittelgrosses Atomkraftwerk. Der
Strom wird direkt in das Hochspannungsnetz von Vattenfall Europe
eingespeist.
Das Herzstück der Anlage ist die Maschinenkaverne, eine knapp 3.600
Quadratmeter grosse Halle. "Stellen Sie sich vor, wir haben auf der
Fläche eines Fussballplatzes ein 15-stöckiges Hochhaus im Boden
versenkt", sagt Bogenrieder. Von den vier in Betonfundamenten
eingelassenen Turbinen arbeiten zwei drehzahlvariabel, das heisst
angepasst an die jeweilige Energiesituation. "Das ist die
bedeutendste Neuerung auf der elektrischen Seite. So können wir in
kurzer Zeit von null auf hundert Prozent Leistung variieren. Bislang
konnte man immer nur Ein oder Aus schalten", sagt Bogenrieder. Zwei
der vier Pumpspeichersätze sind bereits am Netz. Anfang 2004 soll die
volle Leistung erreicht sein.
Von aussen besticht das Pumpspeicherkraftwerk vor allem durch einen
67 Meter hohen Staudamm, vor dem Wanderer des Thüringer Waldes oft
ungläubig gen Himmel schauen. Dahinter erstreckt sich das 2,4
Kilometer lange Unterbecken, entstanden durch das Aufstauen des
Flusses Schwarza. Herrscht Überkapazität im ostdeutschen
Stromnetz,
wird das Wasser von hier aus in das 300 Meter höher gelegene
Oberbecken gepumpt. Das künstlich errichtete Bassin fasst 13,5
Millionen Kubikmeter Wasser - so viel wie 45.000 Badewannen.
"Damit können wir Goldisthal acht Stunden lang nonstop bei voller
Auslastung betreiben", meint Beyer.
Obwohl die Windbedingungen auf dem Plateau ideal für Surfer sind,
bleibt Wassersportlern der Zugang zu dem See aus Sicherheitsgründen
verwehrt. Wenn die Turbinen auf Hochtouren laufen, sinkt der
Wasserspiegel im Oberbecken stündlich um etwa drei Meter. Gesteuert
und gewartet wird die Anlage von rund 50 Angestellten. Von 2004 an
sollen nach und nach auch die übrigen neun
Wasserkraftwerke des
Konzerns von Goldisthal aus gesteuert werden.
Damit wird ein fast 40 Jahre alter Plan Wirklichkeit. Nach
ersten Überlegungen zum Bau dieses Pumpspeicherkraftwerkes Mitte der
60er Jahre und der geologischen Erkundung 1972 musste das Projekt
1980 wegen finanzieller Schwierigkeiten auf Eis gelegt werden. Nach
der Wende übernahm die jetzt zum Vattenfall-Konzern gehörende
Vereinigte Energiewerke AG (VEAG) das Mammutvorhaben. Nach
jahrelangem Rechtsstreit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND) Thüringen erfolgte rund vor sechs Jahren der erste
Stollenanschlag.
Zeittafel
1965 | Bei der Standortsuche für ein Pumpspeicherkraftwerk in |