Greenpeace: Kohlekraftwerke verursachen 3100 Todesfälle pro Jahr
Stand: 04.04.2013
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Berlin - Deutsche Kohlekraftwerke sind laut einer Studie im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace statistisch für mehr als 3000 vorzeitige gesundheitsbedingte Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Schuld seien Feinstaubpartikel und giftige Abgase, teilte Greenpeace am Mittwoch in Berlin mit.
Der Schadstoffausstoß deutscher Kohlekraftwerke verursache unter anderem Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die rechnerisch zum Verlust von 33.000 Lebensjahren führten, erklärte Greenpeace. Das seien statistisch etwa 3100 vorzeitige Todesfälle pro Jahr. Betroffen seien auch die Nachbarländer.
Als besonders gravierend bezeichnete die Organisation die Auswirkungen von großen Braunkohle-Kraftwerken, wie sie unter anderem in der brandenburgischen Lausitz bei Jänschwalde und in Niederaußem in Nordrhein-Westfalen stehen. Neun der zehn Kraftwerke mit den höchsten Emissionen verbrennen der Studie zufolge Braunkohle.
Für die Studie zogen die Forscher der Stuttgarter Uni Emissionsdaten der 67 leistungsfähigsten deutschen Kohlekraftwerke aus dem sogenannten Europäischen Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister für 2010 heran. Tausende Betriebe müssen diesem ihren Schadstoffausstoß melden. Dann berechneten die Experten nach komplizierten Verfahren sowie gestützt auf Gesundheitsstudien, welche Gesundheitsrisiken durch die Ausbreitung von Feinstaub und Abgase in bestimmten Regionen abhängig von der Konzentration zu erwarten sind. Daraus ergaben sich die genannten rechnerischen Verluste an menschlicher Lebenszeit.
Umweltbundesamt meldet Zweifel an
Das Umweltbundesamt hat jedoch Zweifel, ob sich die Feinstaub-Werte auf solche absoluten Todeszahlen zuspitzen lassen. Sicher gebe es zwischen den gemessenen Schadstoffen und der Zahl der Erkrankungen einen Zusammenhang, sagt Umweltbundesamt-Sprecher Stephan Gabriel Haufe. "Die Frage ist, ob man solche scharfen Aussagen und solche direkten Zuordnungen machen kann." Andere Wissenschaftler, die sich nicht namentlich zitieren lassen wollten, äußerten auch erhebliche Zweifel an der statistischen Methodik und den Schlussfolgerungen.
Selbst der Mitautor der Studie, Rainer Friedrich von der Universität Stuttgart, ist wegen statistischer Schwankungen vorsichtig, wenn es um die Umrechnung in exakte Zahlen geht. "Die Zahlen sind unsicher", räumt er bei der Vorstellung der Studie in Berlin ein - und sagt dann den kryptischen Satz: "Eigentlich ist es so, dass die Schlussfolgerungen möglicherweise trotz dieser Unsicherheit dann vielleicht gültig bleiben." Außerdem wehten 30 bis 40 Prozent des in Deutschland gemessenen Feinstaubs aus benachbarten Ländern herüber. Mit einem deutschen Kohleausstieg wäre das Problem also nicht gelöst.
Straßenverkehr und Landwirtschaft verursachen mehr Feinstaub
Dass Feinstaub zu Atemwegsleiden, Lungenkrebs, Asthmaanfällen und Herzinfarkten führen kann, ist unstrittig, ebenso der Umstand, dass Kohlekraftwerke durch ihren hohen Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) im Vergleich zu Energie aus Sonne, Windkraft und Wasser Dreckschleudern sind. Nur beiläufig wird aber erwähnt, dass die Kohleschlote laut Friedrich lediglich 13 Prozent des Feinstaubs in Deutschland ausmachen, während Straßenverkehr und Landwirtschaft für weitaus mehr Emissionen der giftigen Staubpartikel verantwortlich sind. Laut Umweltbundesamt betrug der Anteil der von Kohlekraftwerken ausgestoßenen Partikel unter 2,5 Mikrometer Durchmesser im Jahr 2010 sogar nur knapp 6 Prozent.
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