Gespräch zu Endlagersuche auf unbestimmte Zeit verschoben
Stand: 09.10.2012
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Berlin - Gorleben bleibt wohl einstweilen erste Wahl. Nachdem SPD und Grüne das für Donnerstag geplante Spitzentreffen zur Endlagersuche abgesagt hatten, hat Bundesumweltminister Peter Altmaier weitere Gespräche auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Absage eines neuen Treffens gefährdet eine Abkehr vom Salzstock Gorleben - dabei wollen die Grünen und die SPD gerade dies.
Eigentlich hatte für Peter Altmaier alles so gut begonnen, doch nun ist der Wurm drin. Gleich nach dem Amtsantritt war der Bundesumweltminister im Juni in das marode Salzbergwerk Asse eingefahren. Wegen Wassereinbrüchen soll der dort lagernde schwach- und mittelradioaktive Atommüll rausgeholt werden. Mit dabei war auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, weil Altmaier einen überparteilichen Konsens für ein Gesetz zur raschen Bergung der Abfälle aus der Asse will.
Im Schacht verabredeten beide ein Treffen im kleinen Kreis, um auch einen Neustart bei der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll zu schaffen. "Guter Besuch des neuen BMU Altmaier im maroden Atommüllendlager Asse. Er weiß nach 2 Tagen mehr als sein Vorgänger Röttgen nach 2 Jahren", twitterte Gabriel danach. Doch von derlei Herzlichkeiten ist nicht viel geblieben.
Keine Einigung im Juli
Zwar legte Altmaier am 13. Juni einen Gesetzentwurf für eine ergebnisoffene, bundesweite Endlagersuche vor. Und er lud Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin im Juli zu einem Treffen in seine Berliner Altbauwohnung ein, weil er einen überparteilichen Konsens in dieser sensiblen Frage für nötig hält. Doch obwohl er einige ihrer Forderungen zum Teil aufgriff, klappte eine Einigung nicht.
SPD und Grüne sagten ihre Teilnahme an einem für diesen Donnerstag geplanten Bund/Länder-Treffen bei Altmaier ab - es hatte womöglich das entscheidende sein sollen. Trotz Altmaiers Bitten blieben sie auch am Montag bei ihrer Haltung. Daher verschob Altmaier das Treffen auf unbestimmte Zeit.
Vorwürfe auf beiden Seiten
"Verschoben ist nicht aufgehoben", betont seine Sprecherin tapfer. Doch beide Seiten überziehen sich mit Vorwürfen, das Vertrauen der Opposition zu Altmaier hat argen Schaden genommen. Die Lage ist paradox: SPD und Grüne hegen enorme Zweifel an einer Eignung des seit 35 Jahren im Fokus stehenden Salzstocks Gorleben. Doch ohne Gespräche für einen Neustart bei der Suche bleibt Gorleben einzige Wahl.
Bis zur Entlassung von Norbert Röttgen nach der CDU-Schlappe in Nordrhein-Westfalen standen schon 90 Prozent des Gesetzentwurfes für eine Suche, die von einer weißen Landkarte ausgeht. Altmaier, Gabriel und Trittin tauschten sich zwar noch über ein "Non-Paper" des Umweltministeriums aus, doch die entscheidenden Fragen sind ungelöst. SPD und Grüne werfen Altmaier vor, sich nicht genug zu bewegen - seit Juli habe es keinerlei Einigungsvorschläge mehr von ihm gegeben.
Punkt 1: Wer wird Betreiber der Endlager und wer bekommt die Aufsicht über Auswahl und Genehmigung des Standorts? SPD und Grüne wollen eine starke Rolle für das Bundesamt für Strahlenschutz, das von Grünen-Mitglied Wolfram König geleitet wird. Aber die EU drängt darauf, dass Betrieb und Kontrolle nicht in einer Hand liegen sollen.
Punkt 2: Welche Suchkriterien gelten? Wenn zum Beispiel festgelegt wird, dass ein Endlager in einem Salzstock von einem durchgängigen Deckgebirge geschützt werden muss, würde Gorleben rausfallen.
Punkt 3: Wie viele Standorte sollen am Ende unter Tage erkundet werden und wie wird Gorleben in den Vergleich eingegliedert?
Nun wird alles überschattet von der Landtagswahl in Niedersachsen - können SPD und Grüne am 20. Januar mit ihrer Gorleben-kritischen Haltung punkten? Da anschließend Bayern- und Bundestagswahl nahen, wird eine Einigung auch danach schwer - es ist kein Gewinnerthema.
Stephan Weil, Spitzenkandidat der SPD in Niedersachsen betont: "Vordringlich sind mögliche Standorte in den Ländern zu prüfen, die die größten Nutznießer der Atomkraft gewesen sind. Nämlich Bayern und Baden-Württemberg." Doch dies würde aber dem Charakter einer bundesweiten, ergebnisoffenen Suche klar widersprechen.
Ein Ausschluss Gorlebens hätte Folgen
Die Gesprächsabsage hängt nach Meinung der schwarz-gelben Koalition auch mit der Uneinigkeit der Opposition zusammen. Die Grünen in Niedersachsen fordern wie SPD-Spitzenkandidat Weil, die geologischen Zweifel anzuerkennen und den Standort auszuschließen. Dann aber drohen hohe Schadenersatzklagen der Energiekonzerne, die für Gorleben schon fast 1,6 Milliarden Euro ausgegeben haben.
Selbst Trittin, Gabriel und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der die geplante Suche mit angestoßen hat, sind daher gegen einen politischen Ausschluss Gorlebens. Sie wollen den Salzstock im Vergleich rausfallen lassen. Daher kommt den Kriterien und der Organisation der Suche eine so wichtige Rolle zu - Mauscheleien zugunsten Gorlebens sollen ausgeschlossen werden.
Fakt ist: Wegen der Verzögerungen im Ringen um eine Einigung wurde der Hauptbetriebsplan für die Arbeiten im Salzstock Gorleben erstmal verlängert - erst bei einer Einigung sollen sie gestoppt werden. Atomgegner im Wendland hegen den Verdacht, dass die Bundesregierung nur eine neue Pseudo-Suche wolle, um Gorleben per Vergleich mit anderen Optionen gerichtsfest als Endlager durchzusetzen.
Bestärkt fühlen sie sich durch Aussagen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Die frühere Umweltministerin sagte dort, sie könne nicht verstehen, warum nicht erstmal die Erkundung Gorlebens zu Ende geführt werde. Merkel ließ durchblicken, dass Gorleben eine gute Wahl sein könnte.