Lüneburg (dpa) - Nach jahrelangem Tauziehen steht die Genehmigung für Deutschlands möglicherweise erstes Atommüll-Endlager auf dem Prüfstand. Am Dienstag begann das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg mit der Verhandlung über Klagen gegen das geplante Endlager Schacht Konrad in Salzgitter (Niedersachsen). Ein Urteil wird für diesen Mittwoch erwartet.
In dem ehemaligen Eisenerzbergwerk soll schwach- und mittelradioaktiver Abfall aus ganz Deutschland dauerhaft unter der Erde eingeschlossen werden. Dagegen klagten die Stadt Salzgitter, die anliegenden Gemeinden Vechelde und Lengede sowie zwei Landwirte, deren Hof unmittelbar an das Gelände grenzt.
Der Vorsitzende Richter Wolfgang Kalz sagte zu Beginn: "Das Verfahren ist von außergewöhnlicher Bedeutung. Hier geht es um das erste
Endlager, das einer vollen gerichtlichen Prüfung unterzogen wird." Vor der Verhandlung protestierten mehrere Dutzend Atomkraftgegner. Die Demonstranten kritisierten, dass bei der Planung die Gefahr eines terroristischen Anschlags und die Langzeitsicherheit nicht ausreichend untersucht worden seien. Dies bemängeln auch die Kommunen.
Schacht Konrad war 2002 vom niedersächsischen Umweltministerium genehmigt worden. Dort soll
Atommüll gelagert werden, der in Forschungslabors, Kliniken oder der Industrie anfällt. Ob und wann Konrad jemals in Betrieb geht, ist völlig offen. Der Vorsitzende Richter betonte, dies hänge nicht in erster Linie vom Ausgang des Verfahrens ab, sondern sei vor allem eine politische Entscheidung.
Aus dem Bundesumweltministerium hieß es dazu, zunächst werde das allgemeine Konzept zur Lagerung von Atommüll in Deutschland überarbeitet, bevor eine Entscheidung über die Zukunft von Schacht Konrad falle.
Zu Beginn des Verfahrens ging es am Dienstag zunächst vor allem um die Frage, ob die Klagen der Städte und Gemeinden überhaupt zulässig sind. "Dieses Problem stellt sich bei allen dreien", sagte der Richter. Er betonte, Kommunen dürften nicht stellvertretend für ihre Bürger klagen, sondern nur, wenn tatsächlich ihre eigenen Belange beispielsweise hinsichtlich ihrer Planungshoheit verletzt seien.
Auch nach dem Verlauf der Verhandlung am Nachmittag erscheint zweifelhaft, dass die Klagen der Kommunen Aussicht auf Erfolg haben. Das Gericht lehnte unter anderem mehrere Beweisanträge der Stadt Salzgitter ab.
Die Gemeinde Vechelde bemängelte, bei der Genehmigung des Lagers habe es nie eine Auswahl oder einen Vergleich mit anderen Standorten gegeben. Dies sei ein Verstoß gegen die gesetzliche Vorgabe, den bestmöglichen Schutz gegen die Gefahren der Kernenergie anzustreben. Der Richter wies jedoch darauf hin, dass es zweifelhaft sei, ob dieser Punkt überhaupt im Rahmen einer Klage gegen die Genehmigung berücksichtigt werden könne.
Der Anwalt der Stadt Salzgitter, Reiner Geulen, beklagte die lange Verfahrensdauer zwischen Start der Planfeststellung im Jahr 1982 und der Genehmigung des Lagers 2002. Zahlreiche Dinge hätten sich in dieser Zeit geändert, unter anderem sei die erwartete Müllmenge inzwischen deutlich kleiner als damals prognostiziert. Die Anwältin des Ministeriums, Uta Rüping, sagte: "Die lange Verfahrensdauer bringt ein Mehr an Sicherheit und Prüfung und verletzt nicht die Rechte der Kläger."
Die Stadt Salzgitter, auf deren Gelände das Endlager gebaut werden soll, klagt auch deswegen, weil nicht genau festgelegt ist, wann die Einlagerung von Müll beendet sein soll. "Wir halten es für einen schwerwiegenden Fehler, dass das nicht zeitlich begrenzt wurde", sagte Anwalt Geulen. So könne es theoretisch sein, dass das Lager über Jahrhunderte offen bleibe und auch in 500 Jahren noch nicht sicher eingeschlossen sei. Dagegen erklärte die Anwältin des Umweltministeriums, eine zeitliche Begrenzung sei nicht gesetzlich vorgeschrieben, die Sicherheit des Lagers nicht erst nach dem vollständigen Einschluss des Mülls gewährleistet.