Geplänkel um Atomausstieg lenkt von Sicherheitsbedürfnis ab
Stand: 01.08.2007
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Berlin (dpa) - Die Oppositionsfraktionen von Linken und Grünen hatten einen guten Riecher, als sie kürzlich die Sondersitzung im Umweltausschuss des Bundestages beantragten. Alle Fraktionen stimmten zu, so dass der vom Bundestagspräsidenten gesetzte Termin zur Beleuchtung der Pannenserie in norddeutschen Atomkraftwerken (AKW) an diesem Mittwoch mitten in die Sommerpause fiel. Das schaffte öffentliche Aufmerksamkeit und sicherte dem aus Frankreich angereisten Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) im inzwischen abgespeckten Polit-Programm TV-Auftritte. FDP-Umweltsprecher Michael Kauch forderte denn auch, "dass er seine PR-Show beendet".
Ein Schachzug, dem sich die Unionsfraktionsvize Katherina Reiche entgegenstellte: Es gehe in der Sitzung offensichtlich nur darum, "den Feldzug gegen die Kernenergie fortzusetzen", sagte sie. "Das machen wir nicht mit." Eine klare Kampfansage an den Koalitions- Partner, die in dieser Deutlichkeit ein frühzeitiges Aufbrechen des Stillhalteabkommens beim Thema Atomausstieg bedeuten könnte, das im Koalitionsvertrag bis Ende 2009 verabredet ist.
Diesen Attacken hielt Gabriel wiederum Forderungen des Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust und des Berliner Landes-Oppositionschefs Friedbert Pflüger (beide CDU) entgegen, jüngere Kraftwerke länger am Netz zu lassen. Dies entspreche nach der Logik des Atomgesetzes seiner Forderung, die im Gegenzug eine frühere Abschaltung älterer Kraftwerke vorsehe, sagte Gabriel. Dies habe für Brunsbüttel bereits der Kieler Regierungschef Peter Harry Carstensen (CDU) vorausgesagt. Reiche warnte vor "Hysterie" und erklärte: "Die deutschen Kernkraftwerke sind sicher." Weiter auf die Atomkraft setzten auch die CDU-Politiker Laurenz Meyer und Joachim Pfeiffer, der der SPD "einen Kreuzzug gegen die Kernenergie" vorhielt.
Grüne und Linksfraktion, aber auch die FDP stellten umfangreiche Sicherheitsforderungen auf. Warum sollten ausgerechnet die störanfälligen - und nach dem Atomgesetz für diese Wahlperiode zur Abschaltung bestimmten - Meiler Biblis A und B in Hessen (RWE) und Brunsbüttel länger Strom produzieren, fragten Opposition und Gabriel. Zumal alle drei derzeit wegen technischer Mängel oder Pannen ebenso wie Krümmel vom Netz genommen seien.
Einig ist sich die Politik, dass die Störfälle in Krümmel und Brunsbüttel von einem größten anzunehmenden Unfall (GAU) durch eine Kernschmelze weit entfernt waren. Einig sind sie sich aber auch im Bedürfnis nach mehr Sicherheit. Allerdings denken sie an unterschiedlich intensive Maßnahmen. So kündigte Gabriel Fristen zwischen 12 und 24 Monaten für die von den Betreibern vorzulegenden Sicherheitsnachweisen bei den - routinemäßig alle zehn Jahre stattfindenden - Überprüfungen an. Ein sicher scharfes Schwert, das die Atomaufsicht der Länder bei Gefahr im Verzuge und Verdachtsmomenten zu schnelleren Reaktionen befähigen soll. Ein modernes Sicherheitsmanagement und technische Sicherheitsregeln sollen verbindlich eingeführt werden.
Warum gab es die nicht längst, fragt die Opposition. Vor allem setzt die Politik auf die Betreiber, transparenter zu agieren und die Kommunikation nach innen - zum Beispiel klare Anweisungen auf AKW- Leitständen - und außen zu verbessern. Vattenfall kündigte dazu für die kommende Woche konkrete Vorschläge an.