Geheimabsprache: Staat profitiert von hohem Strompreis
Stand: 09.09.2010
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Berlin - Für die Betreiber der deutschen Kernkraftwerke könnte der Atomkompromiss der Regierung teurer werden, als bisher bekannt wurde. Nach einer Absprache zwischen Bundesregierung und Energiekonzernen würde der Staat ab 2017 unter bestimmten Bedingungen mehr Geld bekommen. Dies berichteten mehrere Zeitungen am Donnerstag. Die Fraktionen von SPD und Grünen verlangten die Offenlegung des Geheimpapiers und drohten mit einer Klagen gegen den Atomkompromiss.
Nach der Vereinbarung zwischen Regierung und Konzernen erhöhe sich bei steigenden Firmengewinnen der sogenannte Förderbeitrag, den die AKW-Betreiber ab 2017 an den Staat zahlen müssten, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Mit diesem Geld will der Bund einen Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Verbesserung der Energieeffizienz aufbauen.
Auch die "Financial Times Deutschland" berichtete von möglichen zusätzlichen Einnahmen des Staates. Nach 2016 solle die vorgesehene Abschöpfung von neun Euro je Megawattstunde Atomstrom entsprechend der Inflationsrate steigen. Angesichts der Dauer des Laufzeitendeals drohten den Energiekonzernen somit deutlich höhere Einkommenseinbußen.
Der Bund profitiere zudem künftig erstmals direkt von stark steigenden Strompreisen, hieß es in dem "FTD"-Bericht weiter. Die einheitliche Neun-Euro-Abschöpfung gelte nur bei Großhandelspreisen zwischen rund 43 und 63 Euro je Megawattstunde. Überstiegen die Notierungen an der Leipziger Strombörse dieses Niveau, schöpfe der Staat die Hälfte der Differenz ab - bei 70 Euro also weitere 3,50 Euro je Megawattstunde. Damit könnte der Staat deutlich mehr als die bisher genannten rund 30 Milliarden Euro aus der Laufzeitverlängerung erlösen.
Zusätzlich flössen dem Staat bis 2016 knapp 14 Milliarden Euro aus der neuen Brennelementesteuer und erhöhten Ertragssteuern zu. Berechnungen, wonach lediglich 26 Prozent der Zusatzgewinne abgeschöpft würden, seien falsch, heiße es in der Atomwirtschaft. Die Betreiber wollten aber nicht gegen die Steuer klagen.
Grüne und SPD verlangten von der Regierung, dem Bundestag die Atomvereinbarung vorzulegen. "Der Eindruck, dass es in dieser für die Sicherheit der Menschen und die Zukunft unseres Landes so zentralen Frage Geheimabsprachen gibt, ist unerträglich und steht im Widerspruch zur Verfassung", schrieb die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen nach eigenen Angaben in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Die Frage sei, ob sich die Regierung zu irgendetwas gegenüber den Atomkonzernen verpflichtet habe, also beispielsweise bei den Sicherheitsnachrüstungen für ältere Atomkraftwerke oder dass man die vorrangige Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien einschränken will. "Wenn in dem Vertrag nur unproblematische Sachen drin stehen, warum verheimlicht die Bundesregierung dann diesen Vertrag", fragte Höhn. "Das ganze riecht unangenehm nach Kungelei."
"Wir alle haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie und wie stark die vier großen Energiekonzerne Einfluss auf die Atomverhandlungen in Regierung und Koalition nehmen konnten", heißt es auch in einem Brief des geschäftsführenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Joachim Poß an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), aus dem die Süddeutsche Zeitung (Donnerstag) zitiert. Darin bezeichnet Poß die Geheimhaltung als einen "für eine offene Demokratie unhaltbarer Zustand". Es sei "unabdingbar", den Vertrag öffentlich zugänglich zu machen.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kündigte in der "Rhein-Zeitung" eine Klage der Fraktion gegen den Atomkompromiss an. Auch die SPD-Bundestagsfraktion erwägt eine Klage. "Wir halten die Laufzeitverlängerungen verfassungsrechtlich für nicht haltbar", sagte Poß der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". "Es ist möglich, dass wir als Bundestagsfraktion selbst gegen die Laufzeitverlängerungen klagen."
Regierung plant nun doch Veröffentlichung der Vereinbarung
Die Bundesregierung plant nun, ihre bislang unter Verschluss gehaltene Vereinbarung mit den Betreibern von Atomkraftwerken zu veröffentlichen. "Natürlich wird das demnächst öffentlich gemacht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der "Financial Times Deutschland" (Freitagsausgabe). Das Papier werde zunächst den Koalitionsfraktionen von Union und FDP zugeleitet und anschließend veröffentlicht. Seibert reagierte damit auf Forderungen der Opposition sowie von zahlreichen Verbänden. "Wer die Eckpunktevereinbarung liest, wird sehen, dass im öffentlichen Interesse gehandelt worden ist", sagte der Regierungssprecher.