Berlin (dpa) - Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat CDU und CSU vor einer "Rolle rückwärts" beim Klimaschutz und vor "purem Atomlobbyismus" gewarnt. Dies betreffe die von der Union vorgeschlagene Entlastung der großen Stromkonzerne beim Emissionshandel mit Verschmutzungs-Zertifikaten ab 2013 ebenso wie die erneute Forderung nach längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken, sagte Gabriel am Mittwoch in Berlin. Dabei werde inzwischen klar, dass es ihr nicht nur um zehn Jahre Verlängerung über 2022 hinaus gehe, sondern um eine nukleare Dauereinrichtung.
Völlig unhaltbar sei auch die Forderung, den Stromkonzernen beim Bau neuer Kraftwerke kostenlos Kohlendioxid-Papiere zuzuteilen. "Das werden wir auf gar keinen Fall mitmachen", sagte Gabriel zu aktuellen Beratungen der Unions-Fraktion über ein eigenes Energie-Konzept. Dies würde zu einer erneuten "Abzocke der Stromkunden" führen, denn mit dem Einstreichen solcher Zufallsgewinne der Konzerne fehle Geld, um das
Energiesparen zu fördern.
"Man kann auch nicht das gesamte produzierende Gewerbe ausnehmen", forderte der Umweltminister. In der dritten Emissionshandels-Periode von 2013 an könne es kostenlose Zertifikats-Zuteilungen nur noch für energieintensive Branchen wie Stahl- und Aluminium-Industrie geben. Völlig untauglich sei das Unions-Vorhaben, Gewinne aus der Laufzeitverlängerung der Atommeiler im Umfang von 40 Milliarden Euro abzuschöpfen. Damit will die Union
erneuerbare Energien fördern und die Energie-Verbraucher entlasten. Hier fehle zudem das Instrument, bemängelte Gabriel. Wenn die Union eine Brennstoffsteuer einführen wolle, müsse sie das jetzt sagen.
Zugleich forderte der Umweltminister Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Union auf, sein vor zwei Jahren vorgelegtes Konzept eines atomaren
Endlagers endlich zu diskutieren. Sie könne nicht länger nur auf den Salzstock Gorleben setzen, sondern müsse auch Granit- und Ton-Standorte untersuchen. Sonst hätte man im Falle eines technischen Ausscheidens von Gorleben am Ende nichts in der Hand.
Gabriel und der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber schlossen eine "Allianz für den Klimaschutz". Darin fordern sie von der EU-Kommission für den Emissionshandel von 2013 an einen angemessenen Ausgleich zwischen anspruchsvollen Klimaschutzzielen und der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen energieintensiven deutschen Industrie. Die Stromproduzenten sollen der von Brüssel geplanten 100-Prozent-Versteigerung voll unterliegen. Die Stahl- und Eisenindustrie sowie andere wie die Zement-, Aluminium- und Rohstoffindustrie sollen vorübergehend davon ausgenommen werden.
Bedingung ist dabei, dass die jeweiligen Unternehmen hohem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. "Eine kostenlose Zuteilung ist allerdings nur solange erforderlich, bis in einem internationalen Klimaschutzabkommen vergleichbare Verpflichtungen auch von Staaten außerhalb Europas übernommen worden sind", heißt es in der Erklärung der Allianz.
Huber erklärte: "Wir erwarten, dass der Bundesumweltminister faire Regeln für die Stahlindustrie und ihre Arbeitsplätze (in der EU) erreicht." Gabriel mahnte in Richtung Brüssel, wo die Einzelheiten des Emissionshandels bis Ende des Jahres verhandelt werden: "Wenn es der EU-Kommission nicht gelingt, Klimaschutz und Wettbewerb unter einen Hut zu bringen, werden wir die Entwicklungsländer (wie China) nicht für den Klimaschutz gewinnen können." Die Forderung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) nach umfassenderen Erleichterungen der Wirtschaft wiesen beide zurück.