Freiwillige Selbstverpflichtung statt Atom-Zusatzabgabe?
Stand: 27.08.2010
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Berlin/Rheinfelden - Das Rätselraten, ob und in welcher Form die Atomkonzerne eine Zusatzabgabe für die Förderung erneuerbarer Energien leisten müssen, geht weiter. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte sich zum Abschluss ihrer Energiereise am Freitag nicht festlegen, ob für die Energiekonzerne über eine Brennelementesteuer hinaus eine freiwillige Selbstverpflichtung oder ein Pflichtbeitrag kommt.
Die Koalition werde sich nach der Vorlage der Gutachten mehrerer Institute zur Energiepolitik rasch zusammensetzen, sagte die CDU-Vorsitzende am Freitag nach einem Besuch im Wasserkraftwerk in Rheinfelden bei Lörrach. "Es wird sich ein wenige Tage dauernder Konsultationsprozess anschließen." Die Zeit bis zur Entscheidung des Kabinetts über das Energiekonzept am 28. September sei überschaubar.
Freiwillige Investitionen in Öko-Energien
Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb, die Regierung setze auf freiwillige Investitionen, um eine zu große Belastung der Konzerne zu vermeiden. Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans wollte den Bericht nicht bestätigen. Er sagte allerdings: "Der Begriff "Beitrag" ist nicht ohne Bedacht so eingeführt worden." Die Kanzlerin habe am Donnerstag nicht von einer Abgabe gesprochen. "Eine Abgabe (...), da versteht man Leistungen drunter, zu denen Personen verpflichtet werden."
Die Regierung plant eine Brennelementesteuer in Höhe von 2,3 Milliarden Euro pro Jahr. Merkel will darüber hinaus einen weiteren Beitrag. Wenn die Atommeiler länger am Netz bleiben, sollen die Zusatzgewinne der Betreiber abgeschöpft werden und möglichst in Öko-Energien fließen. Die Kanzlerin forderte die Energiewirtschaft auf, das Stromnetz auszubauen.
Der Chef des Stromkonzerns EnBW, Hans-Peter Villis, hält freiwillige Investitionen in erneuerbare Energien als Gegenleistung für längere Laufzeiten für sinnvoll. "Eine Selbstverpflichtung wäre für uns nicht schlecht", sagte er beim Treffen mit Merkel in Rheinfelden. Villis forderte eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke um mindestens zehn Jahre. "Es lohnt sich nicht, hunderte Millionen Euro zu investieren, um dann zwei bis drei Jahre genehmigt zu bekommen." Greenpeace-Energieexperte Tobias Münchmeyer warnte vor einer freiwilligen Lösung: "Entweder ist Merkel naiv oder sie hat sich einkaufen lassen."
Gutachten wird am Wochenende ausgewertet
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sollten noch am Freitag ein Gutachten mit Modellen für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke erhalten. Der Vize-Regierungssprecher kündigte an, dass beide Ressorts die Ergebnisse über das Wochenende auswerten. Brüderle und Röttgen würden sich zu Beginn nächster Woche äußern und die Szenarien zur Verfügung stellen. Die Regierung sieht kein Problem darin, dass das beteiligte Energiewissenschaftliche Institut der Universität Köln (EWI) von den Stromkonzernen RWE und Eon acht Millionen Euro erhält.
Nur geringe Abdämpfung steigender Strompreise
Längere Laufzeiten der Atomkraftwerke würden nach Expertenberechnung höchstens einen leicht dämpfenden Effekt auf die Strompreise haben. Das deutet sich nach dpa-Informationen im Gutachten zu den Energiemodellen an. Steigende Preise könnten - wenn überhaupt - nur leicht gebremst werden. Das "Handelsblatt" schrieb am Freitag, ein Verzicht auf eine Verlängerung hätte weder nennenswerten Einfluss auf die Strompreise noch auf die Versorgungssicherheit.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Jetzt ist das Dilemma der Bundesregierung, dass sie verzweifelt versucht, eine gute Begründung zu finden für die Laufzeitverlängerung. Es gibt aber keine." Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte Merkel auf, die Verhandlungen mit den Energiekonzernen zu beenden.
Zum Abschluss ihrer Reise zu Energiestandorten besuchte Merkel den Maschinenbaubetrieb Voith-Hydro in Heidenheim. Letzter Punkt war ein "Plus-Energie-Haus" in Darmstadt.