EU will Emissionsrechtehandel reformieren
Stand: 25.07.2012
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Brüssel - Der Handel mit CO2-Zertifikaten leistet so gut wie keinen Beitrag zum Klimaschutz. Das hat nun auch die zuständige EU-Kommission erkannt. Eine drastische Reform soll diesen Umstand bald ändern.
Die EU-Kommission erwägt einen Eingriff in den Emissionshandel, um den Klimaschutz voranzubringen. Die Behörde legte dazu am Mittwoch in Brüssel mehrere Papiere vor, wie sie die Verschmutzungszertifikate künstlich verknappen und damit ihren Preis anheben will. Von seiten der deutschen Industrie erntete sie dafür massive Kritik.
Klimakommissarin Connie Hedegaard erklärt, es sei "nicht weise, vorsätzlich einen Markt weiter zu fluten, der bereits überversorgt ist". Schon in den letzten Jahren hätten sich im Emissionshandelssystem (EHS) Überschüsse an Zertifikaten angesammelt - durch das Überangebot sinke deren Preis und so der Anreiz für den Klimaschutz, argumentiert Hedegaard.
System funktioniert nicht gut
Beim EHS müssen die Industrie und neuerdings auch die Luftfahrt Zertifikate vorweisen, die ihre in die Luft geblasenen klimaschädlichen Abgase abdecken. Einen Teil erhalten die Firmen gratis, den Rest müssen sie ersteigern. Angesichts des derzeit niedrigen Preises der Zertifikate zweifelt Hedegaard jedoch, dass das System gut genug funktioniert.
In den am Mittwoch vorgelegten Papieren erwägt sie darum eine Verschiebung bei den Auktionen für Zertifikate, so dass ein Teil zeitweilig dem Markt entzogen wäre. Sie legte dafür drei Szenarien vor, nach denen von 2013 bis
2015 entweder 400 Millionen, 900 Millionen oder 1,2 Milliarden Zertifikate auf Eis gelegt würden. Das bislang angepeilte Auktionsvolumen für diese Zeit betrage mehr als 3,5 Milliarden Verschmutzungsscheine, erklärte sie.
BUND begrüßt den Vorstoß
Der Ansatz ist sehr umstritten. Umweltschützer stärkten Hedegaard am Mittwoch den Rücken. "Wer den Emissionshandel nicht reformiert, hemmt Innovationen anstatt sie anzustoßen", erklärte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin.
Der Bund der Deutschen Industrie (BDI) hingegen forderte die Kommissarin auf, ihren "klimapolitischen Tunnelblick" zu überdenken. Investoren brauchten für den Umweltschutz "wesentlich größere und langfristigere Stabilität und Berechenbarkeit bei den Rahmenbedingungen", erklärte der BDI.
Skepsis aus dem Wirtschaftsministerium
Die Kommission ist sich derzeit selbst nicht sicher, ob das EHS-Gesetz ihr rechtlich überhaupt die Kompetenz für den Eingriff gibt. Sie bat deshalb am Mittwoch auch das Europaparlament und die Mitgliedstaaten darum, den entsprechenden Gesetzespassus so neu zu fassen, dass er der Kommission das Eingreifen ausdrücklich erlaubt.
Das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin äußerte Skepsis. Es müsse aufgepasst werden, dass die Belastungen der Industrie nicht anstiegen, sagte eine Sprecherin. Bisher funktioniere das EHS, ihr Ministerium halte Eingriffe darum vorläufig für unnötig, fügte sie hinzu.
Kritik an künstlicher Preisänderung
Der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul, erwartet von den Vorschlägen nichts Gutes. "Wenn man ein Handelssystem hat, das den Zertifikatepreis am Markt bildet, kann man doch nicht einfach den Preis künstlich verändern, nur weil er einem vielleicht politisch nicht passt", argumentierte Reul.
Dagegen begrüßte der CDU-Umweltexperte im Europaparlament, Peter Liese, den Vorschlag als "ersten wichtigen Schritt" zur Reformierung des EHS. Fast ein Jahr lang habe der Preis für ein Zertifikat unter zehn Euro gelegen - bei Verabschiedung des Systems sei seinerzeit jedoch "ein Preis von 30 Euro erwartet" worden, erklärte Liese.