EU will Bürger und Industrie zu Stromsparern machen
Stand: 24.07.2014
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Brüssel - Die EU-Kommission möchte die Umwelt schonen und die Union unabhängiger von Gasimporten aus Russland machen. Dafür will sie die Bürger und die Industrie zum Stromsparen anreizen. Bis 2030 soll der Verbrauch um 30 Prozent sinken. Basis ist ein Gutachten von 2007, das den Energieverbrauch im Jahr 2030 ohne zusätzlich Sparanstrengungen prognostiziert. Was gut gemeint war, sorgt aber für heftigen Streit.
Das neue Ziel stößt auf Kritik von allen Seiten. Während Umweltverbände mehr verlangen, wehren sich Teile der Industrie gegen EU-Vorgaben. Und wer soll die nötigen Milliardeninvestitionen eigentlich stemmen? Der EU-Gipfel wird im Oktober über die Verbindlichkeit des Einsparziels entscheiden.
Was bedeuten die neuen Stromspar-Vorgaben für den Bürger?
Erst einmal gar nichts, schließlich handelt es sich um ein Strategiepapier ohne Gesetzescharakter. Allerdings gilt der Vorschlag als richtungsweisend: Energieverbrauch runter, aber bloß nicht übertreiben, so die Kursrichtung. Die Kommission hofft darauf, dass sich stromsparende Produkte wie von selbst am Markt durchsetzen. Konkrete neue Pflichten wie etwa das vor Jahren eingeführte Glühbirnen-Verbot sind vorerst nicht geplant.
Wo könnten die Haushalte genau sparen?
Etwa durch effizientere Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen. Die EU-Kommission rechnet vor: Bis 2020 dürften Verbraucher pro Jahr bereits auf diese Weise ihre Stromkosten um 100 Milliarden Euro senken - rund 465 Euro je Haushalt. Energiesparende Fenster und dämmende Baumaterialien lassen die Heizkosten sinken.
Neubauten verbrauchen bereits jetzt nur noch halb so viel Energie wie noch in den 1980er Jahren, so die Kommission. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul (CDU), warnt allerdings vor Zwangssanierungen von Altbauten. "Viele Hausbesitzer werden die hohen Investitionen nicht schultern können, dazu drohen massive Mietsteigerungen", so Reul.
Warum ist das Papier wichtig?
Weil Europa beim Klimaschutz lange das Energiesparen vernachlässigt hat - denn Energieimporte waren billig zu haben. Das dürfte sich ändern, auch wegen der Spannungen mit Russland in der Ukraine-Krise.
Seit 2012 gilt die Vorgabe, bis 2020 bei der Energie 20 Prozent einzusparen. Dieser Pfad soll fortgesetzt werden. Der Wert von 30 Prozent ist relativ niedrig, allerdings höher als zuvor in Kommissions-Entwürfen. Details bleiben Europas Staats- und Regierungschefs überlassen.
Warum ist dies in Brüssel ein Aufreger-Thema?
Weil der alte und der neue Kommissions-Chef über Kreuz liegen. Der scheidende Präsident José Manuel Barroso wollte auf die Bremse treten - er war für 25 bis 27 Prozent als unverbindliche Vorgabe, wie aus Kommissionskreisen zu erfahren war. Sein Nachfolger Jean-Claude Juncker pochte auf mehr Tempo.
Im Europaparlament sagte Juncker kürzlich: "Ein verbindliches 30-Prozent-Ziel zur Energieeffizienz bis 2030 ist für mich das Minimum, wenn wir glaubwürdig und weitsichtig sein wollen." Am Ende setzte sich Juncker weitgehend durch - nur seine Forderung nach Verbindlichkeit ist im Kommissionstext nicht enthalten. Ob Pflicht oder Freiwilligkeit, bleibt unerwähnt.
Was meint die Industrie?
Gegenfrage: Welche Industrie? Da ist die Meinungslage unterschiedlich. Der Industrie-Dachverband "Business Europa" hält ein EU-Ziel zur CO2-Reduktion für ausreichend - und will keine neuen Brüsseler Regeln zur Effizienz. Die Unternehmen wüssten selbst am besten, wie sie mit Energiesparen ihre Kosten senken könnten. Unsinn, meint Christian Noll von der "Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz" (Deneff). Er vertritt Handwerker und Firmen, die energiesparende Technik und Isolierungen verkaufen. Ein politisches Signal sei nötig, um die Konjunktur anzukurbeln, und Arbeitsplätze zu schaffen.
Was sagen die EU-Staaten?
Die Bundesregierung ist für ehrgeizige Pflichten, hinter vorgehaltener Hand ist von "30 bis 35 Prozent" als Einsparziel die Rede. Polen und Briten betonen dagegen, man solle es mit den Klimaschutz-Vorschriften der EU nicht übertreiben. Wenn überhaupt, wäre einzig und allein der Mitgliedstaat selbst zuständig. Dies dürfte noch für einige Debatten sorgen.