Brüssel - Mit fünf Milliarden Euro für neue Strom-, Gas- und Internetleitungen will die EU-Kommission die schwere Wirtschaftskrise in Europa bekämpfen. Die Brüsseler Behörde schlug am Mittwoch vor, ungenutztes Geld aus dem EU-Haushalt dafür zu mobilisieren. Allein für die bessere Verknüpfung von Gas- und Stromnetzen und andere Energievorhaben sollten 3,5 Milliarden Euro fließen. Die Pläne sind umstritten, da es unter den Mitgliedstaaten Vorbehalte gibt. EU- Kommissionspräsident José Manuel Barroso unterstrich, auch die Energiesicherheit solle verbessert werden. Sie sei sehr wichtig, das habe der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine gezeigt. "Ich rufe die Mitgliedstaaten auf zu zeigen, dass die EU eine neue Krise verhindern kann."
Insgesamt nehmen die EU-Staaten zur Konjunkturankurbelung rund 200 Milliarden Euro in die Hand - der Löwenanteil wird von den Mitgliedsländern in nationalen Plänen aufgebracht. Bei den Gasleitungen ist die Nabucco-Pipeline vom Kaspischen Meer nach Mitteleuropa das größte Einzelvorhaben. Dafür sollen 250 Millionen Euro fließen, was zwischen 33 und 37 Prozent der Kosten im laufenden und nächsten Jahr entspräche. Einen Zuschuss von 50 Millionen Euro sieht Brüssel für eine Stromleitung von Halle an der Saale nach Schweinfurt vor. Für Windräder an Standorten auf See sind 520 Millionen Euro eingeplant. Daraus soll auch Deutschland Nutzen ziehen.
Allein 1,25 Milliarden Euro will die Kommission für elf Projekte zur Speicherung von Kohlendioxid aus
Kohlekraftwerken bereitstellen, darunter zwei in Deutschland (Hürth und Jänschwalde). Die Branche erhofft sich von dieser Technik eine Stromerzeugung mit weniger negativen Auswirkungen auf das Weltklima. Für Ausbau und
Modernisierung von Internet-Anschlüssen in ländlichen Gebieten will die Kommission kurzfristig eine Milliarde Euro umleiten. Der Rest der Haushaltsgelder soll für die Modernisierung der Landwirtschaft fließen, beispielsweise den Umbau der Milchwirtschaft.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder hatten im Dezember bereits ihre grundsätzliche Zustimmung zu solchen Plänen signalisiert. Bei der Vorstellung der konkreten Vorhaben äußerten aber am Mittwoch zahlreiche Mitgliedstaaten Kritik, wie Diplomaten berichteten. Neben grundsätzlichen Bedenken gegen die Umleitung von Haushaltsmitteln wurden auch Zweifel an der konjunkturstützenden Wirkung laut. "Es hat nur Sinn, wenn die Projekte schnell umgesetzt werden können", sagte ein Diplomat. Barroso strebt eine Einigung auf sein Paket beim nächsten EU-Gipfel Mitte März an. Auch das Europaparlament muss noch zustimmen.
Unmittelbar nach der Präsentation der Pläne begann in Brüssel ein Streit darüber, ob man - wie die Kommission - von ungenutzten Haushaltsmitteln sprechen könne. «Das ist frisches Geld», sagte ein Vertreter eines Mitgliedstaates, denn die Länder müssten zusätzlich in das Brüsseler Budget zahlen. Da Deutschland etwa ein Fünftel zum EU-Budget beiträgt, dürfte sich laut Experten die Mehrbelastung für Berlin auf etwa eine Milliarde Euro belaufen. Es zeichnen sich in Brüssel harte Verhandlungen ab, denn die bis 2013 laufende Finanzplanung der EU muss geändert werden. Im vergangenen Jahr stritten die Mitgliedstaaten vier Monate lang, bevor sie Barroso eine einmalige Hilfe von einer Milliarde Euro aus EU-Haushaltsmitteln zugunsten von armen Bauern in Afrika zubilligten.