EU-Rat einigt sich auf europaweiten Emissionshandel ab 2005 [Update]
Stand: 09.12.2002
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Brüssel (dpa) - Der Startschuss für den europaweiten Handel mit Treibhausgas-Emissionen zwischen Unternehmen ist gefallen. Im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel einigten sich die EU-Umweltminister am Montag in Brüssel einstimmig auf Regeln für den Kauf und Verkauf von "Verschmutzungsrechten" zwischen tausenden Betrieben aus energieintensiven Branchen. Die deutsche Industrie könnte nach einer Studie zu den Gewinnern des in Europa bislang beispiellosen Handelssystem gehören.
Beim Emissionshandel soll Betreibern von Industrieanlagen wie Kraft- und Stahlwerken, Zement- oder Papierfabriken jährlich abnehmende Verschmutzungszertifikate über den Ausstoss von Kohlendioxid (CO2) und anderen Treibhausgasen zugeteilt werden. Überschüssige Rechte können an Unternehmen verkauft werden, die die festgelegten Verschmutzungsgrenzen noch nicht einhalten können. Auf diese Weise sollen Betriebe zu einer umweltfreundlicheren Produktion angehalten und die Emissionen kostenwirksam reduziert werden. Nach der Einigung können sich deutsche Unternehmen wegen ihrer bereits bestehenden Selbstverpflichtung zur Reduktion von Kohlendioxid bis Ende 2007 vom Emissionshandel befreien lassen.
Trittin verwies auf die Chancen für die deutsche Industrie, die den Schadstoffausstoss auf Grund ihrer Selbstverpflichtung bereits beträchtlich gesenkt habe. "Wo soll man Emissionsrechte kaufen, wenn nicht dort, wo eingespart wird, also in Deutschland", sagte Trittin. An dem Emissionshandel sollen sich rund 4500 Industrieanlagen in der EU beteiligen, mehr als die Hälfte von ihnen befinden sich in der Bundesrepublik.
Trittin konnte sich bei den Beratungen ausserdem damit durchsetzen, dass Vorleistungen deutscher Unternehmen bei der Verringerung des Kohlendioxid-Ausstosses angerechnet werden. Nach der Einigung können Unternehmen im Zuge des Handelssystems ihre Verschmutzungsrechte auf freiwilliger Basis in einem Branchenpool gemeinsam verwalten. Auch dies hatte Deutschland verlangt. Die Rechte sollen ausserdem bis 2012 zu mindestens 90 Prozent kostenlos an die Unternehmen verteilt werden. Die restlichen 10 Prozent können - ebenfalls freiwillig - versteigert werden, der Gewinn käme denjenigen Staaten zugute, in denen sich diese Unternehmen befinden.
Mit dem geplanten EU-Emissionshandel könnte die deutsche Industrie nach einer Studie bis zu 500 Millionen Euro jährlich sparen. Zu den Gewinnern würde demnach auch die Chemiebranche gehören, die strikt gegen den Emissionshandel ist. Die Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature) stellte die Berechnungen unter anderem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und vom Ökoinstitut in Berlin vor. Die Untersuchung vergleicht Kosten des europäischen Modells mit Ausgaben, die bei einem isolierten System wie der derzeitigen Selbstverpflichtung der deutschen Industrie zum Abbau der CO2-Emissionen entstehen.
Nach dem internationalen Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz muss die EU die wichtigsten Treibhausgase im Zeitraum von 2008 bis 2012 im Vergleich zu 1990 um 8 Prozent vermindern. Nach einer EU-internen Aufteilung soll Deutschland als grösster Emittent innerhalb der Gemeinschaft eine anteilsmässige Reduzierung von 21 Prozent beisteuern. Davon hat sie aber bereits durch die Selbstverpflichtung der Industrie und andere Umweltschutzmassnahmen einen Anteil von 18 Prozent erreicht.
Deshalb sei eine deutsche Teilnahme an dem Emissionshandel eigentlich nicht zwingend notwendig, sagte der Umweltminister. Er unterstütze ihn aber trotzdem, weil ohne dieses neue System verschiedene EU-Mitgliedsländer keine Chance hätten, ihr nationales Kyoto-Ziel zu erreichen. "Ohne den deutschen Beitrag wäre die Europäische Union nicht auf dem Pfad der Reduzierung", sagte Trittin.
Nach der politischen Einigung im EU-Ministerrat muss sich im nächsten Schritt nun das Europäische Parlament in zweiter Lesung mit dem Thema beschäftigen.