Erlaubnisverfahren für E.ON-Ruhrgas-Fusion offen - Auflagen-Poker
Stand: 05.09.2002
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Berlin (dpa/lnw) - Im neu aufgerollten Verfahren um eine Fusion der Energiekonzerne E.ON und Ruhrgas will der zuständige Berliner Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke völlig neu entscheiden. Bei einer zweiten mündlichen Verhandlung am Donnerstag im Bundeswirtschaftsministerium schloss Tacke nicht aus, dass die von ihm erteilte "Ministererlaubnis" geändert oder auch wieder aufgehoben werden könnte. Zwischen den Energie-Wettbewerbern kam es erneut zum Streit um die mit der bisherigen Genehmigung verbundenen Auflagen. Anträge einzelner Stadtwerke und anderer Unternehmen, Tacke für befangen zu erklären, führten zwar zur halbstündigen Unterbrechung der Sitzung, wurden aber als "sachlich unbegründet" zurückgewiesen.
Dennoch wolle er den Bedenken durch eine neue Anhörung Rechnung tragen, betonte der Staatssekretär, der mit der Entscheidungsbefugnis an die Stelle des eigentlich zuständigen Ministers Werner Müller tritt. "Das heisst aber auch, dass die Anhörung ergebnisoffen durchgeführt wird."
E.ON-Chef Ulrich Hartmann betonte, seit der am 5. Juli erteilten Ministererlaubnis habe sich der Wettbewerb am Gasmarkt weiter verstärkt. So hätten sich die Ölmultis Shell und ExxonMobil wie BP entschlossen, aus dem Aktionärskreis der Ruhrgas auszuscheiden. Die drei weltweit grössten privaten Erdgas-Produzenten träten damit als Wettbewerber der Ruhrgas auf den deutschen Markt. "Gaslieferungen dieser Unternehmen kommen allen Marktteilnehmern - insbesondere kleinen Händlern und auch Stadtwerken - zugute", sagte er. Daher sollten die Entflechtungs-Forderungen im Gasgeschäft zurückgenommen werden, die Auflagen nur noch die Veräusserung der E.ON- und Ruhrgas- Anteile am drittgrössten deutschen Ferngasunternehmen VNG betreffen.
Dem widersprachen etliche Energiekonkurrenten. So forderte der Vorstandschef des baden-württembergischen Konzerns EnBW, Gerhard Goll, die Auflagen seien zu verstärken. So müssten Beteiligungen vor allem an Stadtwerken veräussert werden. Nicht nur die Ruhrgas könne die Gasversorgung und Investitionen ins sowjetische Gasnetz sicher stellen, betonte Goll.
Scharfe Kritik am Verfahren kam auch von den Verbraucherverbänden. Die Entscheidung von Regierung und Oberlandesgericht, die Verbraucherzentrale (VZBV) nicht als Verfahrensbeteiligten anzuerkennen führe zum "Versorgerkartell zum Nachteil von Umwelt und Verbrauchern", meinte VZBV-Vorstand Edda Müller.
Der eigentlich für die Genehmigung zuständige Wirtschaftsminister Werner Müller hatte sich selbst für befangen erklärt, weil er einst selbst als Manager des E.ON-Vorläuferkonzerns Veba Unternehmens- Interessen vertreten hatte. Die Ministerentscheidung durch Tacke war notwendig geworden, weil die Fusion vom Kartellamt - unterstützt von der Monopolkommission - aus Wettbewerbsgründen abgelehnt worden war. Zuletzt hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf den Vollzug der Ruhrgas-Übernahme durch E.ON auf Grund von Anträgen aus der Energiewirtschaft auf Eis gelegt. Ein Hauptsacheverfahren soll folgen.
Tacke selbst geriet jetzt in die Schusslinie, weil etliche Unternehmen an ihren Anträgen festhielten, den Staatssekretär für befangen zu erklären. Nach Ansicht von Beobachtern hatte dies das Ziel, die Umsetzung des Mega-Deals weiter zu behindern, mindestens aber die Auflagen für die fusionierenden Unternehmen zu erhöhen. So wurde Tacke vorgehalten, er sei befangen, weil er im Aufsichtsrat der Bahn sitze, die Stinnes-Anteile von E.ON übernommen habe. Nach der Sitzungsunterbrechung stellte der andere beamtete Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums, Axel Gerlach, fest: "Es müssen objektiv greifbare Tatsachen her, die auf eine Voreingenommenheit von Dr. Tacke schliessen lassen. Diese sind aber nicht ersichtlich."