Enteignungen wegen Endlager möglich - Länder wollen an Einnahmen teilhaben
Stand: 13.09.2010
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Berlin - Die schwarz-gelbe Koalition will bei der Errichtung von Atommüll-Endlagern auch wieder Enteignungen möglich machen. So soll der Bau des geplanten Endlagers Gorleben vorangetrieben werden.
Eine Sprecherin des Umweltministeriums sagte am Sonntag: "Bei der jetzigen Rechtslage könnte die Weigerung nur eines einzigen Inhabers der Nutzungsrechte dazu führen, dass die Erkundung nicht in dem erforderlichen Ausmaß vorgenommen werden kann." Deshalb sollen in das neue Atomgesetz wieder Enteignungsvorschriften aufgenommen werden. Sie bestätigte einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel".
Die Möglichkeit, Besitzer von möglichen Standorten zu enteignen, hatte Rot-Grün 2002 abgeschafft. Die Erkundung Gorlebens soll ab Oktober wieder aufgenommen werden. Die Stromkonzerne haben bisher rund 1,5 Milliarden Euro in die Erkundung investiert. Sie setzen darauf, dass Gorleben auch Endlager wird. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber kritisierte die geplante Enteignung: "Deutschland verkommt unter Schwarz-Gelb zur atomaren Bananenrepublik."
Das Umweltministerium wies Darstellungen zurück, Ressortchef Norbert Röttgen (CDU) habe Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Atomkompromisses. Die "Bild am Sonntag" hatte unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet, Röttgen habe sich vor dem Arbeitskreis Umwelt der nordrhein-westfälischen CDU-Fraktion skeptisch gezeigt.
"Das wird das Bundesverfassungsgericht nicht mitmachen", soll er zur Verlängerung der Kraftwerkslaufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre gesagt haben. Letztlich werde wohl nur eine Verlängerung von etwa fünf Jahren ohne Zustimmung des Bundesrats möglich sei. Dort hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit. Mehrere Bundesländer wollen klagen.
Nach dem Atom-Beschluss melden Länder und Bundesminister zusätzliche Wünsche an. CDU-Ministerpräsidenten wollen mitreden, wenn die zugesagten Gelder der Atomindustrie für erneuerbare Energien verteilt werden. Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) möchte einen Teil der Zusatzeinnahmen zur Gebäudesanierung verwenden.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sagte dem "Spiegel", Länder mit Atomkraftwerken müssten über die Verteilung der Mittel für die erneuerbaren Energien mitentscheiden.
Allein für den Umbau der Netze seien zweistellige Milliarden-Beträge nötig, weil Leitungen unterirdisch verlegt werden müssten.
Die Fraktionschefs von CDU und FDP im Südwesten, Peter Hauk und Hans-Ulrich Rülke, zeigten sich einig, dass die Länder mindestens die Hälfte der Ausschüttungen für die Förderung erneuerbarer Energien bekommen sollten. Der niedersächsische Regierungschef David McAllister (CDU) pocht auf einen Ausgleich für Endlagerstandorte.
Nach Ansicht Ramsauers liegt es "in der Logik des Energiekonzepts, dass man mit dem Geld der Atomwirtschaft auch Gebäude und Verkehr umweltfreundlicher gestalten kann". Der "Rheinischen Post" (Samstag) sagte er: "Ich schaue mit neugierigen, um nicht zu sagen gierigen Augen auf die staatlichen Einnahmen."
SPD-Chef Sigmar Gabriel bekräftigte, dass die schwarz-gelbe Atomvereinbarung im Fall eines Regierungswechsels rückgängig gemacht werden soll. Die mögliche Kostenbegrenzung für Nachrüstungen der Atommeiler auf 500 Millionen Euro kritisierte er als absurd.
Der Vorstandsvorsitzende des Stromkonzerns E.ON, Johannes Teyssen, wies Vorwürfe der Kungelei mit der Bundesregierung zurück. Davon könne überhaupt keine Rede sein, sagte Teyssen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Alles ist öffentlich."
Für die reine Laufzeit-Verlängerung benötigt die Bundesregierung keine Genehmigung der EU. Informiert werden müsse die Kommission aber, wenn es zu erheblichen Investitionen in die Atommeiler komme, sagte Energiekommissar Günther Oettinger dem "Spiegel".
Die Verbraucher werden aus Sicht des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) vorerst nicht von der Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke profitieren. "Die Strompreise werden mit der beschlossenen Laufzeitverlängerung nicht sinken", sagte der IWH-Experte Wilfried Ehrenfeld der Nachrichtenagentur dpa.
Der Grund dafür liege im Preisbildungsmechanismus am Strommarkt.
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