Energiewende macht Stadtwerken zu schaffen
Stand: 25.01.2013
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Essen/Aachen - Die Energieversorger E.ON und RWE beklagen derzeit lautstark Gewinneinbrüche bei ihren Gas- und Steinkohlekraftwerken. Die Verbünde der Stadtwerke halten sich bisher noch zurück, doch auch ihre konventionellen Kraftwerke bewegen sich an der Nulllinie.
Der Verbraucher spürt davon allerdings fast nichts, weil auf den Endkundenpreis noch die Kosten für die Ökostromförderung und die Netzentgelte aufgeschlagen werden. Im Gegenteil: Die Strompreise für die Verbraucher sind gestiegen.
Aber die Stadtwerke haben dennoch Probleme: Wegen des Einspeisevorrangs der Erneuerbaren Energien kämen manche Steag-Kraftwerke gerade noch auf 500 bis 1000 Betriebsstunden im Jahr, sagte der CDU-Bundestagsfraktionsvize Michael Fuchs diese Woche bei einer Energie-Tagung des "Handelsblatts" in Berlin. Die Gewinnzone liegt bei etwa 4000 Stunden.
Mangels der nötigen Erträge für die Deckung der Kapitalkosten werden branchenweit Neubauprojekte verschoben. Gleichzeitig müssen aber auch die Stadtwerke viele Millionen in Erneuerbare Energien investieren, wenn sie den Anschluss nicht verlieren wollen. Steag etwa hat sich Investitionen von mehr als einer Milliarde Euro in drei Jahren vorgenommen. Doch wo sollen die herkommen?
Die acht Steinkohlekraftwerke des fünftgrößten deutschen Versorgers Steag - mehrheitlich in der Hand von Ruhrgebietsstadtwerken - haben nach Aussage eines Insiders 2012 gerade mal eine "schwarze Null" erwirtschaftet. RWE hatte die langjährigen Stromabnahmeverträge mit Steag gekündigt. Neue Abnehmer hat Steag bisher nur teilweise gefunden.
Unter den Gesellschaftern sei Unruhe ausgebrochen, hieß es. Manche plädierten dafür, die weiterhin hoch profitablen Auslandskraftwerke des Unternehmens etwa in der Türkei zu verkaufen. Länger bekannt ist, dass mehrere ältere Blöcke vom Netz müssen. Welche, will das Unternehmen noch nicht sagen.
"Die Energiewende hat alles aus den Angeln gehoben"
Unruhe auch beim größten deutschen Stadtwerke-Konsortium Trianel in Aachen. Zu Jahresbeginn wurde die Insolvenz der Flensburger Förde Energiegesellschaft bekannt. Das Unternehmen aus dem Stadtwerkebereich hatte sich mit einer Beteiligung am Trianel-Kraftwerk in Lünen übernommen. Der Verbund Trianel von über 50 Stadtwerken und Regionalversorgern rechnet zwar 2012 noch mit schwarzen Zahlen, aber etwa vom jahrelang lukrativen Gaskraftwerk in Hamm komme 2013 kein Gewinn mehr, sagt Vorstandschef Sven Becker. "Die Energiewende hat alles aus den Angeln gehoben."
Bei der geplanten 800 Millionen Euro-Investition für ein modernes Gaskraftwerk in Krefeld laufe das Genehmigungsverfahren weiter, der Zeitplan werde aber überprüft. Trianel fühlt sich doppelt belastet: Die konventionellen Kraftwerke bringen nichts mehr, und beim Offshore-Windpark Borken sieht Trianel aktuell einen entgangenen Gewinn von rund 100 Millionen Euro durch den verspäteten Anschluss. Trianel klagt deshalb gegen den Netzbetreiber Tennet.
"Irgendwann fliegt den Kommunalen das um die Ohren"
Die Stadtwerkeunternehmen müssten aufpassen, dass sie ihre Kräfte in der Energiewende nicht überstrapazierten, warnt ein seit vielen Jahren in der Branche tätiger Berater. Er will seinen Namen aus Rücksicht auf die Kundschaft nicht veröffentlichen. Erneuerbare Projekte seien investitionsintensiv, die nötige Investitionskraft fehle den Unternehmen aber oft, weil Gewinne von den Stadtwerke-Kommunen in die allgemeinen Haushalte abgesaugt würde. Gleichzeitig orientierten sich die Gehälter vielfach noch am öffentlichen Dienst. "Irgendwann fliegt den Kommunalen das um die Ohren", sagt der Berater.
Einen möglichen Lösungsvorschlag für den gesamten Energiemarkt hat CDU-Mann Fuchs bei der Tagung skizziert: Ökostrom-Produzenten sollten verpflichtet werden, zu ihrem Wind- und Sonnenstrom einen bestimmten Anteil an gesicherter Leistung - in der Regel konventionelle Energie - dazuzukaufen. Das würde die Nachfrage nach Gas- und Kohlestrom und damit die Preise wieder deutlich erhöhen. Doch grundlegende Änderungen am deutschen Strommarkt erwartet kaum jemand noch vor der Bundestagswahl. Realistisch ist der Sommer bis Herbst 2014 - eine lange Durststrecke für Unternehmen mit zu wenig Geld im Keller.