Energiewende: Ein Kindergarten zeigt, wie es geht
Stand: 31.08.2012
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Haren - Hört man derzeit den Politikern zu, scheint das Projekt Energiewende schier unmöglich zu sein. Ein Kindergarten im Emsland zeigt hingegen, wie es gelingen kann: Durch dezentrale Mini-Kraftwerke und intelligente Vernetzung.
Der Energiewende liegt eigentlich eine ganz einfache Idee zugrunde: Sonne, Wind und Erdwärme liefern unbegrenzt Kraft, man muss sie nur nutzen. Allerdings liegt genau da das Problem: Die Zeiten, in denen die Sonne scheint und der Wind weht, fallen nicht immer mit denen zusammen, in denen man Strom für die Waschmaschine braucht. Um Verbrauch und Produktion möglichst intelligent zu koppeln, ist viel Abstimmung notwendig. Genau hier kommt ein Pilotprojekt ins Spiel, für das die Stadt Haren in Niedersachsen einen neuen Kindergarten auserkoren hat.
Ein einmaliges Projekt
"Das Projekt hat einen einmaligen Charakter", sagt Bürgermeister Markus Honnigfort (CDU). Der neue Kindergarten, der bislang noch eine Baugrube ist, soll eine Photovoltaikanlage, eine Wärmepumpenheizung, einen Warmwasser- und einen Batteriespeicher besitzen. Der in dieser Form einmalige Clou hinter der Sache aber ist die intelligente Vernetzung der Anlagen untereinander - und auch mit Haushaltsgeräten, wie etwa einer Waschmaschine. Dafür entwickelt der Energiekonzern RWE zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Twente aus dem benachbarten niederländischen Enschede einen hochintelligenten Steuerungscomputer, den Home Energy Controller (HEC).
Der Computer soll etwa berechnen, wann die günstigste Zeit ist, die Waschmaschine einzuschalten. Zahlreiche Informationen fließen dazu in dem Steuergerät zusammen: zur Intensität der Sonnenstrahlung, zur Innen- und Außentemperatur, aber auch zum Verbraucherverhalten. Es handele sich um eine komplexe Prognosesoftware, erläutert der Enscheder Mathematiker Prof. Johann Hurink, der sich schon seit Jahren mit der Analyse solcher Daten beschäftigt.
Intelligente Netze statt neue Netze
In einem komplizierten System soll das Haus Energieerzeuger und -verbraucher effizient aufeinander abstimmen. Dabei werde auch geforscht, wie etwa der als Fußbodenheizung ausgelegte Boden, der Erdwärme speichert, auf kurzfristige Ein- und Abschaltungen reagiere, sagt Stadtbaurat Thimo Weitemeier. Denn das Merkmal regenerativer Energien sei es, dass sie nicht so voraussehbar fließen können, wie man es von konventioneller Energie kenne. Das anspruchsvolle Ziel ist, dass die Nutzer des Hauses von den komplizierten Abstimmungsvorgängen im Hintergrund nichts mitbekommen. "Es soll keine Komforteinbußen geben", betont RWE-Experte Ludger Brüffer.
Die Kommunikation zwischen diversen Energieerzeugern und -verbrauchern setzt ein intelligentes Netzwerk voraus, das Fachleute als "Smart Grid" bezeichnen. Auch hierzu solle in Haren Forschung geleistet werden, sagt Brüffer: "Intelligenz schlägt Kupfer".
Häuser müssen intelligent werden
Letztlich könne die Energiewende nur gelingen, wenn möglichst viele Häuser so intelligent seien wie der Kindergarten und diese Häuser wiederum untereinander vernetzt würden, sagte RWE-Projektleiter Carsten Welge. "Die Energiewende findet in den Regionen statt", ergänzte Brüffer. Denn je effizienter die Gebäude bei der Stromproduktion und Verbrauch würden, desto mehr überschüssigen Strom könnten sie wiederum in das öffentliche Stromnetz abgeben. "Die Regionen produzieren für die Ballungsräume", betont er.
"Im Grunde ist das ein Paradigmenwechsel in der Stromversorgung", sagt Hurink. Es gelte nicht mehr, ein paar große Kraftwerke aufeinander abzustimmen, die Strom ins Netz einleiten. Künftig werde es hunderttausende Stromerzeuger geben, die miteinander koordiniert werden müssten.