Energiewende: Die ehrgeizigen Pläne der Bundesregierung
Stand: 16.05.2011
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Berlin - Gleich mindestens sechs Gesetze will die Regierung im Juni zum Atomausstieg und zur beschleunigten Energiewende auf den Weg bringen. In den Ministerien schieben die Fachbeamten bereits Überstunden. Die Opposition fürchtet derweil handwerkliche Fehler.
"Die größte Überraschung" sei sicher, dass ein neues Atomgesetz kommt, erklärt Bundesumweltminister Nobert Röttgen. Dann folgt in seiner Aufzählung ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz, eine Reform des erst kürzlich angepassten Energiewirtschaftsgesetzes, ein neues Baugesetzbuch, eine Reform des Ökoenergiefonds, Neuerungen zur Kraft-Wärme-Koppelung und Eckpunkte für eine Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.
Und wäre das nicht genug, könnte auch die Mietrechtsreform von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in das Energiepaket aufgenommen werden. Das ist aber eher unrealistisch. Denn es ist umstritten, dass Mieter in der Zeit energetischer Gebäudesanierung für drei Monate keine Mietminderungen mehr geltend machen können, der Mieterbund geht dagegen auf die Barrikaden.
"Fast alles, was mit dem beschleunigten Ausbau regenerativer Energien zu tun hat, hat räumliche Auswirkungen. Das betrifft also das Planungs- und Baurecht", sagt Bauminister Peter Ramsauer (CSU). "Deswegen ziehen wir die Aspekte, die diesem Ziel dienen, aus der derzeit laufenden Novelle des Bauplanungsrechts vor."
Opposition warnt vor unausgegorenen Reformen
Der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer warnt vor unausgegorenen Reformen und verweist auf das Gesetz zur unterirdischen Speicherung des Klimakillers Kohlendioxid. Dieses war zur Begleitung der Energiewende von der Regierung verabschiedet worden und beinhaltet wegen des Widerstands im Norden nun eine Länderausstiegsklausel. So können CO2-Speicherstätten torpediert werden. Zu diesem Gesetz sind wegen offener Fragen und strittiger Punkte über 50 Änderungsanträge im Bundesrat eingegangen, berichtet Krischer.
"Ich kann mich nicht erinnern, dass in einem solchen Tempo schon mal so ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht worden ist", sagt Krischer. Doch ob die Länder überall mitspielen? Beim Netzausbau sollen sie einer Bundesfachplanung zustimmen. "Damit entmachten sich die Länder ja selbst", sagt Verbraucherschützer Holger Krawinkel. Und Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) betont, es könne nicht nur um Offshore-Windkraft gehen. Bayern will nicht abhängig werden von Energielieferungen von der norddeutschen Küste und setzt daher auf heimische Energie aus Biogasanlagen seiner Landwirte, sowie auf Sonnenstrom und Windräder in heimischen Gefilden.
Einheitliche Kriterien für Windkraftanlagen
Was ist nun geplant? Ramsauer und Röttgen wollen einheitliche Kriterien für die Ausweisung von geeigneten Flächen für Windkraftanlagen in allen Bundesländern. Das Planungsrecht soll dafür angepasst und ein Leitfaden für die Kommunen vorlegt werden. Geplant ist der Austausch älterer Windräder durch neuere, leistungsstärkere. Zudem wird es um die künftigen Vergütungen gehen. Zum Ausbau der Anlagen auf See wurde beschlossen, Genehmigungsverfahren beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zu bündeln. Bisher mussten bei unterschiedlichen Behörden in zeitraubenden Verfahren Genehmigungen besorgt werden.
Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, betont, dass bei den Gesetzen das Prinzip Qualität vor Zeit gelten sollte. "Am Ende muss ein Gesetz stehen, das den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreibt und so einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergie ermöglicht. Dass der Bundesumweltminister jetzt eine Kürzung der Vergütung für Windenergie an Land vornehmen will, steht diesem Ziel entgegen", sagt Albers.
"Vermaisung" der Landwirtschaft soll gestoppt werden
Auch beim Thema Biomasse will die Regierung neue Pflöcke einschlagen, etwa durch eine Begrenzung der Maismenge, die verwendet werden darf, um eine "Vermaisung" der Landwirtschaft und steigende Lebensmittelpreise zu verhindern. Und dann ist da noch ein Problem, das auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Sorgen macht. Da wohl mehrere der 17 Meiler sofort stillgelegt und die Laufzeiten verkürzt werden, könnten Milliarden der AKW-Betreiber im Ökoenergiefonds und bei der Brennelementesteuer fehlen.
Daher muss auch hier ein neues Gesetz her, die Neuverhandlung der Zahlungen dürfte für die Regierung zu einer besonders komplizierten Operation werden. In Koalitionskreisen wird es für wahrscheinlich gehalten, dass die Atomsteuer wegen des Atomausstiegs gekippt wird, was Schäubles Sparziele über den Haufen werfen könnte. "Bei der Energiewende hängt alles mit allem zusammen", seufzt ein Koalitionär.